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Gottesstreiter

Titel: Gottesstreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Weißkirchen, traf aber auch diesmal Jutta nicht an. Der Winter hatte die beiden Liebenden, die sich gerade
     erst wiedergefunden hatten, erneut getrennt.
     
    Die Fastenzeit dauerte an. Dann kam St. Matthias, der den Winter verjagt. Das Sprichwort hatte nicht gelogen. Der Winter verzog
     sich, er hatte nicht mehr die Kraft, sich länger zu behaupten. Die von einem warmen Südwind beleckte Schneedecke schmolz dahin,
     die ersten Schneeglöckchen schauten schon mit ihren weißen Blütenköpfen hervor. Die Luft roch intensiv nach Frühling.
    Mit dem Wind und dem Duft kam auch Tybald Raabe wieder. Als sie sahen, wie er heranritt, wussten sie: Es hat begonnen.
    »Es hat begonnen«, bestätigte der Goliarde mit glühendem Blick. »Es hat begonnen, meine Herren. Prokop hat angegriffen. An
     Fastnacht hat er die Grenze des Herzogtums Troppau überschritten.«
    »Also herrscht Krieg.«
    »Krieg«, wiederholte Urban Horn wie ein Echo. »
Deus pro nobis!«
    »Wenn Gott mit uns ist«, fügte Drosselbart mit dumpfer Stimme hinzu, »wer ist dann gegen uns?«
    Der Wind wehte von Süden her.

|480| Siebzehntes Kapitel
    in dem Tábor in Schlesien einfällt, Reynevan eine Diplomatentätigkeit beginnt und Bolko Wołoszek in das Buch der Geschichte
     eingeht.
     
    Reynevan, Urban Horn und Řehors machten sich auf den Weg zum Treffen mit Tábor, Bisclavret und Drosselbart ritten nach Ziegenhals
     und Neisse, um dort propagandistisch tätig zu werden und Panik zu erzeugen. Scharley und Samson blieben in Wolmessen und sollten
     erst später zu ihnen stoßen.
    Zunächst folgten sie der Straße nach Ratibor, die dann weiter nach Krakau führte. Bald aber, gleich hinter Neustadt, begannen
     die Probleme – der Weg war durch die Flüchtlinge versperrt, die meisten kamen aus Hotzenplotz und Leobschütz, von wo aus man
     die Hussiten schon sehen konnte, wie die Flüchtlinge behaupteten, die Augen furchterfüllt. Verworren, mit zitternder Stimme
     berichteten sie von der Plünderung von Ostrau und der Zerstörung von Hochwald. Von der Belagerung von Troppau. Die Hussiten,
     erzählten sie mit zitternder Stimme, ziehen mit großer Streitmacht heran, mit einer nie gesehenen Schar. Als Řehors das hörte,
     lachte er wie ein wilder Wolf. Seine Zeit war gekommen. Die Zeit für propagandistische Solonummern.
    »Die Hussiten kommen!«, schrie er den Flüchtlingen, denen sie als Nächstes begegneten, zu, seine Stimme so formend, dass sie
     von Angst erfüllt schien. »Mit einer riesigen Streitmacht! Zwanzigtausend Bewaffnete! Sie ziehen heran, brennen und morden!
     Lauft, Leute! Der Tod zieht heran!«
    »Sie sind schon ganz nah! Man kann sie schon sehen! Vierzigtausend Hussiten! Keine Macht der Welt hält sie auf!«
    |481| Hinter den Flüchtlingen und den mit ihrer Habe beladenen Wagen erschienen Soldaten. Die natürlich auch flohen. Die Ritter,
     Hellebardenträger und Schützen lauschten mit ziemlich finsterer Miene den Nachrichten von den fünfzigtausend anrückenden Hussiten,
     Nachrichten, die mit falscher Panik in der Stimme und mittels verdrehter oder ganz einfach erfundener Zitate aus der Apokalypse
     oder aus den Büchern der Propheten verbreitet wurden.
    »Die Hussiten kommen! Hunderttausend! O weh, o weh!«
    »Das reicht!«, knurrte Horn. »Halt dich mal ein bisschen zurück. Allzu viel ist ungesund.«
    Řehors hielt sich zurück. Denn es war niemand mehr da, dem er etwas hätte verkünden können. Der Weg war wie leer gefegt. Etwas
     später bemerkten sie zwei nebeneinander aufsteigende schwarze Rauchsäulen, die hoch über dem Wald in den Himmel strebten.
    »Altstett und Katscher«, einer der letzten Flüchtlinge, der mit seiner Frau und einem Minderbruder einen Wagen voller Kinder
     und Habseligkeiten zog, deutete mit dem Kopf in die Richtung, »die brennen schon den zweiten Tag   ... Haufenweise sollen die erschlagenen Leute dort herumliegen.«
    »Das ist eine Fügung Gottes!«, sagte Řehors. »Lauft, ihr Leute, rasch! Weit fort! Denn wahrlich, ich sage euch, es kommt so
     wie vor zweihundert Jahren: Die Angreifer werden bis nach Liegnitz gelangen. So straft uns Gott. Für die Sünden der Geistlichkeit!«
    »Was schwatzt Ihr da?«, ereiferte sich der Mönch. »Was denn für Sünden? Euch ist wohl der Verstand durcheinander geraten!
     Hört nicht auf ihn, Brüder! Das ist ein falscher Prophet! Oder ein Verräter!«
    »Lauft weg, ihr guten Leute, lauft weg!« Řehors trieb sein Pferd an, wandte sich aber noch einmal im Sattel um.

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