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Gottesstreiter

Titel: Gottesstreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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hatte er die Situation erfasst und eingeschätzt. Unter seinem Blick
     senkten die Schleuderbuben die Köpfe und versuchten vergeblich, sich hinter Krečiřs Rockschößen zu verstecken.
    »Ja   ... Bruder   ... es ist so   ...«, stotterte der Prediger, »die hier   ... die haben   ...«
    Prokop der Kahle brachte ihn mit einer Handbewegung zum Verstummen. Einer ziemlich entschlossenen Handbewegung.
    »Bruder Bielau, Bruder Drosselbart«, mit der gleichen Handbewegung rief er die beiden zu sich. »Erlaubt, ich muss vor dem
     Abmarsch noch gewisse Dinge mit euch besprechen! Du hingegen, Bruder Krečiř   ... Geh raus. Geh und   ...«
    Er brach ab und blickte auf die Figur.
    »Mach was anderes kaputt«, setzte er nach einer Weile hinzu.
     
    Der Ochse brüllte, die Ziege meckerte. Der Rauch kroch in nieder hängenden Schwaden dahin und floss hinüber zum Röhricht am
     Fluss. Der Verwundete, den der Bader aus Zobten am Berge gerade erst zusammengeflickt hatte, wimmerte und stöhnte. Zwischen
     den Flüchtlingen glitten die Minderbrüder wie Geister umher, nach Anzeichen einer möglichen Seuche Ausschau haltend. Gott
     hat uns diese Mönche geschickt, dachte Dzier żka. Sie kennen sich mit Seuchen aus, sie sehen, wenn irgendetwas droht. Und
     sie haben keine Angst. Wenn Gefahr droht, laufen sie nicht davon. Die nicht. Die kennen keine Angst. In ihnen lebt immer noch
     die bescheidene, stille Tapferkeit des heiligen Franziskus.
    Die Nacht war warm, es roch nach Frühling. Nebenan betete jemand laut.
    Elencia, die in Dzier żkas Schoß schlief, bewegte sich und wimmerte. Sie ist erschöpft, dachte Dzier żka, sie ist müde. |577| Deshalb schläft sie so unruhig. Deshalb quälen diese Albträume sie.
    Immer wieder.
     
    Elencia stöhnte im Schlaf. Sie träumte von Kampf und Blut.
     
    Ein schwarzer, dahinschreitender Stier auf goldenem Feld, dachte Reynevan, während er auf den halb im Schlamm versunkenen
     Schild starrte. Solch ein Wappen hieß in der Heraldik:
d’or, au taureau passant de sable.
Das Wappen auf dem anderen Schild, kaum noch auszumachen unter dem geronnenen Blut, nannte man:
d’azur, à la bande d’argent, chargée de trois roses de gueules.
    Er strich sich mit einer nervösen Bewegung über das Gesicht.
Taureau de sable
, der schwarze Stier, das war das Wappentier des Ritters Heinrich von Baruth. Desselben Baruth, der mich vor drei Jahren auf
     dem Münsterberger Turnier geschmäht, geschlagen und getreten hat. Jetzt hatte er die Strafe dafür erhalten, ein Hieb mit dem
     eisenbeschlagenen Dreschflegel hatte seinen Helm so platt gedrückt und verformt, dass man sich besser nicht vorstellen wollte,
     wie der Kopf darunter aussah. Die Hussiten hatten den Getöteten zwar aus seiner bayerischen Rüstung gezogen, den verbogenen
     Helm aber nicht angerührt. Baruth lag also in Hemd und Unterhose da, eine monströse, groteske Gestalt, mit Kapuze und Helm,
     in einer Blutlache, die unter dem Helm hervorrann.
    Die drei Rosen hingegen,
trois roses,
das war die Wappenzierde von Christian von Der, dem Sohn des Walpot von Der aus Wammelwitz. Ich habe in meiner Kindheit mit
     ihm gespielt, in den Wäldern hinter Balbinow, an den Froschteichen, auf den Powojowitzer Wiesen. Wir haben Ritter der Tafelrunde
     gespielt, Siegfried und Hagen, Dietrich und Hildebrand. Später waren wir dann gemeinsam hinter der Wammelwitzer Müllerstochter
     her, in der durchaus berechtigten Hoffnung, sie würde uns erlauben, sie da und dort zu berühren. Dann hat |578| Peterlin Griselda von Der geheiratet, und Christian ist mein Schwager geworden   ... Und nun liegt er da, im blutigen Schlamm, und starrt mit gebrochenen Augen in den Himmel. Und ist so tot, wie er es nur
     sein kann.
    Er wandte den Blick ab.
    Der Krieg hat keine Zukunft, Krieg zu führen ist ein aussichtsloses Unterfangen, hatte Berengar Tauler behauptet. Aus den
     Kriegswirren wird eine neue, bessere Welt geboren, hatte Drosselbart, nicht aufrichtig, dem Mamun verkündet. Am zwanzigsten
     April im Jahre des Herrn 1428, einem Dienstag, hatten im Dorfe Erbenswunsch die Hoffnungen beider geendet – Taulers Hoffnungen
     auf eine Zukunft, Drosselbarts Hoffnung auf was auch immer.
    Prokop hatte ihnen befohlen, nach Erbenswunsch zu reiten, um zu agitieren. Die Befürchtung, man könnte in Schlesien die Bauern
     dazu aufhetzen, sich zu einer Rotte Fußvolk zu formieren, war zwar nicht sehr groß, dennoch wollte Prokop lieber kein Risiko
     eingehen. Bei Neisse waren die

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