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Gottesstreiter

Titel: Gottesstreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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sie. Sie hob den Kopf, tastete mit den Händen um sich und spürte unter ihren
     Fingern Elencias Unterarm. Das Mädchen warf den Kopf hin und her und hustete trocken.
    »Es gibt Neuigkeiten«, sagte der von den anderen umringte Franziskaner. Er hatte seinen Habit hochgeschlagen, an den Füßen
     trug er statt Sandalen Reitstiefel, man konnte sehen, dass er direkt vom Kloster in Neumarkt hergaloppiert war. »Es gibt Nachrichten
     von unseren Brüdern, den Geistlichen in Leubus.«
    »Sprecht, Frater.«
    »Die Hussiten haben Haynau überfallen. Am Samstag vor
Jubilate

    »Vor fünf Tagen also«, rechnete jemand rasch nach. »Jesus, sei uns gnädig!«
    »Und Herzog Ruprecht?«
    »Noch vor dem Angriff ist er mit seinen Rittern nach Lüben geflohen. Er hat Haynau seinem Schicksal überlassen.«
     
    Der mehrstündige Beschuss mit feuerspeienden Büchsen hatte zur Verwunderung aller Wirkung gezeitigt. Der rote Hahn saß auf
     allen Hausdächern, vielerorts brannten auch die hölzernen Verstrebungen an den Mauern, und das Feuer trieb auch die Verteidiger
     wirksamer heraus als Armbrüste, Handfeuerwaffen und Tarrasbüchsen. Die Haynauer waren gezwungen, das Feuer zu löschen, sie
     schafften es nicht, ihre Mauern zu schützen, an denen jetzt die Hussiten wie Ameisen emporkrochen – die Taboriten zu beiden
     Seiten des Liegnitzer Tores und die Waisen fast auf der gesamten Länge der nördlichen Stadtmauer.
    Kampfgeschrei und Gebrüll schwollen plötzlich noch mehr an. Das brennende und von Bombarden beschossene Liegnitzer Tor erzitterte,
     ein Torflügel hing herab, der zweite polterte in einer Eruption von Funken zu Boden. Mit wildem Geschrei rannte das Fußvolk
     auf das Tor zu, zuerst Jan Blehs Dreschflegelkämpfer, |584| hinter ihnen drängte die schnelle Reiterei heran, die Böhmen von Zmrzlík und von Otíka z Lozy, Tovačovskyś Mähren und Puchałas
     Polen.
    Reynevan und Scharley waren bei den Letzteren. Diesmal verbot ihnen niemand den Kampf, ganz im Gegenteil, um die Haynauer
     zu einer lückenlosen Verteidigung zu zwingen, hatten Prokop und Královec befohlen, dass alle, die dazu in der Lage waren,
     zu den Waffen greifen sollten.
    Hinter dem Tor gerieten sie direkt ins feurige Maul des Brandes, in eine schmale Gasse zwischen brennenden Häusern. Die Verteidiger,
     die versuchten, in diesem engen Gässchen Widerstand zu leisten, wurden sofort überwältigt, der Rest lief davon. Von Norden
     her wurde der Geschützdonner schwächer, das Geschrei dafür stärker, es war klar, dass die Waisen die Mauer erstürmt hatten
     und nun in die Stadt drangen.
    Sie kamen auf den lang gestreckten Marktplatz, vor ihnen erhob sich der steinerne Bau der Kirche. Und der hohe, rauchverhangene
     Turm. Bevor sie einen klaren Gedanken fassen konnten, spuckte der Turm bereits Feuer und Eisen auf sie hernieder. Reynevan
     sah, wie Kugeln und Bolzen um sie herum den Boden durchpflügten und wie um sie herum die Leute hinsanken. Der Lärm war ohrenbetäubend.
    Er kniete sich hin. Einem Verwundeten drückte er die von einem Bolzen zerrissene Halsschlagader zu. Neben ihnen wimmerte und
     wälzte sich ein anderer, dem die Kugel aus einer Handkanone das Bein direkt unterm Knie abgerissen hatte. Ein weiterer krümmte
     sich, aus seinem Bauch quoll Blut. Ein vierter zitterte nur.
    »Steh auf, Reynevan! Vorwärts, zum Turm!«
    Er hörte nicht, er war damit beschäftigt, den immer noch quellenden Blutstrom aufzuhalten, vergeblich. Als der Verwundete
     Blut hustete und starb, wandte er sich dem mit dem abgerissenen Bein zu. Er riss dessen Hemd in Streifen, band das Bein ab
     und legte einen Verband an. Der Verwundete heulte.
    |585| Aus einem brennenden Haus rannte ein Mann mit einem Speer, hinter ihm lief ein Halbwüchsiger, dessen Kleidung brannte und
     der ein Hündchen trug. Der Kopf des Mannes wurde sofort von einem Dreschflegel zermalmt, den Halbwüchsigen spießte man auf
     und heftete ihn an die Tür, zusammen mit seinem Hündchen. Der Junge hing an dem Spieß, das Hündchen zappelte, winselte und
     schlug mit den Vorderpfoten in die Luft.
    Reynevan legte Verbände an. Vor dem rauchverhüllten, feuerspeienden Kirchlein liefen die Angreifer zusammen. Vom Turm her
     wurde noch immer geschossen, Kugeln und Bolzen pfiffen durch die Luft.
    »Looos! Auf siiieee!«
    Aus einer Seitengasse brachen die Waisen hervor, rußgeschwärzt, wie Teufel aussehend, die in Panik davonlaufenden Haynauer
     vor sich her treibend und mordend. Scharley rüttelte

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