Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Gottesstreiter

Titel: Gottesstreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
Vom Netzwerk:
Bauern, die man indoktriniert hatte, geflohen, noch bevor es zu Zusammenstößen mit ihnen kam.
     Dennoch musste weiteragitiert werden. Im Hinblick auf eventuelle künftige Zusammenstöße.
    Sie waren am frühen Morgen aufgebrochen, an die zehn Berittene, und mit einem Kampfwagen. Die Berittenen hatte Fedor von Ostrogski
     gestellt, es waren, wie der überwiegende Teil seiner Leute, Ungarn und Slowaken. Der von vier Pferden gezogene Streitwagen
     gehörte dem Nimburger Otíka z Lozy und hatte eine Standardbesatzung: den Wagenhauptmann, zwei Fuhrleute, vier Armbrustschützen,
     vier Schützen mit Handfeuerwaffen und fünf Mann, die mit Dreschflegeln, Speeren und Spießen ausgerüstet waren. Mit ihnen zogen
     Drosselbart als Agitator, Řehors als Hilfsagitator, Reynevan als Gehilfe des Gehilfen, Scharley als Reynevans Gehilfe, Berengar
     Tauler als Anhängsel von Prokops Gnaden und Samson als Samson.
    Die ungarischen Reiter, die von den Böhmen verächtlich |579| »Kumani« – Gevattern – genannt wurden, hatten die Bewohner von Erbenswunsch auf dem Anger zusammengetrieben und sich danach
     rasch wieder zwischen die Hütten verdrückt, wo sie, ihren Gepflogenheiten gemäß, versuchten, ein bisschen zu stehlen und auch
     ein bisschen zu vergewaltigen.
    Diese »kumanischen« Sitten wurden in der Hussitenarmee streng geahndet, und so wagten denn Ostrogskis Magyaren auch nur, ihnen
     heimlich zu frönen, nämlich auf Zügen, die in die weitere Ferne führten und auf denen sie niemand sah. Der Wagenhauptmann
     befand es für richtig, nichts zu sehen. Auch die unter seinem Kommando Stehenden verwandten ihre Energie eher darauf, sich
     schläfrig miteinander zu unterhalten, sich am Hintern zu kratzen und in der Nase zu bohren.
    Drosselbart war auf den Wagen gestiegen und hatte agitiert. Er hatte gepredigt. Dass alles, was ringsherum geschehe, kein
     Krieg und kein Raubzug, sondern brüderliche Hilfe sei und eine Friedensmission, dass alle militärischen Aktionen der Gottesstreiter
     ausschließlich gegen den Bischof von Breslau gerichtet seien, einen Lumpen, Unterdrücker und Tyrannen. Nicht etwa gegen das
     schlesische Brudervolk, denn wir Gottesstreiter liebten das schlesische Volk sehr, und sein Wohl liege uns am Herzen. So sehr,
     dass »der Gottessohn und ’s Herrgöttl selber helfen mechten«.
    Drosselbart predigte mit großem Eifer, er machte den Eindruck, als glaube er selbst an das, was er sagte. Reynevan wusste
     natürlich, dass Drosselbart nicht glaubte und nur das verkündete, was Prokop und Markolt befohlen hatten. Wie können anscheinend
     vernünftige Leute auch nur annehmen, fragte sich Reynevan staunend, dass irgendjemand einen so dick aufgetragenen und so eindeutigen
     Unsinn glaubt wie diese »Friedensmission«? An so etwas durfte einfach keiner glauben, der noch einen Funken Verstand im Kopf
     hatte. Selbst ein Bauernlümmel, der sein Leben damit verbrachte, Mist von einem Haufen auf den anderen zu laden, würde so
     etwas nicht glauben. Scharleys Theorie, dass alle eine jede Blödsinnigkeit |580| glaubten, wenn man sie nur lange genug wiederholte, akzeptierte Reynevan nicht.
    Drosselbart hatte seine erste Agitation beendet und begann mit der zweiten. Vom heraufziehenden neuen Zeitalter. Die Gesichter
     der Bauern, die bei der »Friedensmission« steinern geblieben waren, belebten sich plötzlich. Die »neue Zeit« enthielt im Gegensatz
     zur »Friedensmission« für die Bauern einige interessante Aspekte.
    »In jener Zeit wird es kein irdisches Königtum und keine irdische Herrschaft mehr geben, keine Untertanen, keinen Herrenzins
     und keine Abgaben. Könige, Fürsten und Prälaten werden verschwinden, und die Schinderei des armen Volkes wird aufhören. Die
     Bauern werden nicht mehr zinsen und fronen, und die Gehöfte, Teiche, Wiesen und Wälder werden ihnen gehören   ...«
    Auch die Haine und Auwälder wären sicherlich gleich an die Bauern gefallen, aber Drosselbarts Litanei fand ein brutales Ende.
     Durch einen Armbrustbolzen, abgeschossen im nahen Walde. Die dürre Gestalt stürzte, direkt in den Bauch getroffen, vom Wagen.
     Aus dem Wald preschten Berittene heran und griffen so schnell an, dass die Männer kaum etwas ausrichten konnten.
    Ein Teil der Nimburger floh, nahm ganz einfach die Beine in die Hand und suchte, dem Beispiel der Bauern folgend, zwischen
     den Hütten, Katen und Umfriedungen Schutz. Sie wurden auf der Flucht erschlagen. Die anderen wurden auf dem und um den Wagen
     herum

Weitere Kostenlose Bücher