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Gottesstreiter

Titel: Gottesstreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Reynevan an der Schulter. Er ließ von dem Verwundeten, den er versorgt
     hatte, ab, lief weiter und sprang über die Toten hinweg.
    Am Markt vor der Kirche war der Kampf schon vorbei. Die Verteidiger des Turmes und zahlreiche Frauen und Kinder wurden aus
     der Kirche herausgezerrt und an der Mauer zusammengetrieben. Dort erteilte Jaroslav von Bukowina seine Befehle. Die von der
     Südseite der Stadt herüberdringenden Geräusche eines Massakers übertönten seine Stimme, aber seine Gesten ließen keinen Zweifel
     zu. Die Gefangenen wurden an der Mauer zusammengedrängt. Dann zerrte man sie einzeln oder zu zweit hervor. Schleuderte sie
     auf die Knie. Und erschlug sie. Das Blut floss in Strömen, es rann in einen rot aufschäumenden Bach, der die Abwässer und
     Abfälle aus dem Rinnstein spülte.
    »Erbarmen! Leute!«, heulte eine Bürgerin im grauen Rock, die man auf die Knie geworfen hatte, auf. »Wofür denn? Warum? Beim
     lebendigen Gott   ...«
    Ein Hieb mit dem Dreschflegel zerteilte ihren Kopf wie einen Apfel. Sie stürzte lautlos hin.
    |586| »Weil ich gerufen habe und ihr nicht geantwortet habt«, erklärte Prokop der Kahle, der daneben stand. »Ich habe zu euch geredet,
     aber ihr habt nicht gehört. In meinen Augen habt ihr Böses getan und das gewählt, was mir nicht gefällt. Deswegen fallt ihr
     dem Schwert anheim; ihr werdet alle abgeschlachtet.«
    »Brüder! Gottesstreiter!«, brüllte Královec. »Gewährt keine Gnade! Lasst keinen am Leben, alle unters Messer! Stecht sie ab!
     Und verbrennt die Stadt! Bis auf den blanken Boden! Nicht einmal Quecken sollen hier in hundert Jahren mehr wachsen!«
    Prasselnd schlug das Feuer über den Dächern von Haynau empor. Die Schreie der Todgeweihten stiegen noch höher. Hoch über den
     sich zusammenballenden Rauch.
     
    »Nachdem sie Haynau verbrannt und alle Einwohner ermordet hatten«, berichtete der Mönch weiter, »kehrten die Hussiten nochmals
     um und zogen auf der Görlitzer Straße nach Bunzlau. Als sie die Nachricht von deren Herannahen vernahm, flüchtete die Bevölkerung
     in die Wälder, nachdem sie die Stadt vorher selbst angezündet hatte.«
    »Jesus Christus   ...«, der Breslauer Kaufmann bekreuzigte sich, aber gleich darauf erhellte sich sein Gesicht. »Ha! Wenn Prokop nach Bunzlau
     gezogen ist, auf der Görlitzer Straße, bedeutet das, dass er uns in Ruhe lässt! Er zieht in die Lausitz!«
    »Vergebliche Hoffnung!«, entgegnete ihm der Mönch unter den Seufzern der Umstehenden. »Prokop ist von Bunzlau aus umgekehrt
     und wieder nach Schlesien gezogen. Er ist in Lüben eingefallen.«
    »Christe, erbarme dich!«, klangen Stimmen auf. »Gott erbarm   ...«
    »Gestern hat Lüben sich noch gehalten.« Der Mönch faltete die Hände. »Die Vorstadt stand in Flammen, auch die Stadt brannte,
     weil die Angreifer brennende Geschosse auf die Dächer geschickt haben, aber sie hat sich tapfer verteidigt und den Sturm abgewehrt.
     Die Nachrichten aus Haynau sind wohl |587| rasch zu ihnen gedrungen, die Lübener wissen, was sie erwartet, wenn sie fallen. Deshalb halten sie sich.«
    »Der Graben dort ist tief«, brummte ein alter Soldat, »die Mauer über sieben Ellen hoch, und es gibt mehr als zehn Basteien   ... Sie werden standhalten. Wenn ihr Kampfgeist sie nicht verlässt, werden sie standhalten.«
    »Geb’s Gott.«
     
    Elencia zitterte und wimmerte im Schlaf.
     
    Dzierżka war trotz gewaltiger Anstrengungen doch eingenickt, ein Rütteln holte sie aus dem Schlaf. Der sie da gerüttelt hatte,
     war ihr Knecht und Mitarbeiter Sobek Snorrbein. Snorrbein führte eine Gruppe von Pferdeknechten an, die auf Dzierżkas Befehl
     landauf, landab nach verirrten, herrenlosen Pferden suchten, besonders nach Rassehengsten und
dextrarii
der Ritter, die gutes Deckmaterial für das Schalkauer Gestüt abgaben. Elencia, die, als sie Snorrbein Anweisungen erteilt
     hatte, große Augen gemacht und unfreiwillig das Gesicht verzogen hatte, erklärte Dzierżka kurz und bündig, dass es eine Sünde
     sei, sich Vorteile entgehen zu lassen, uneigennützige Großherzigkeit sei zwar eine gute Sache, aber eher an Feiertagen, und
     dass man die Pferde ihren Eigentümern zurückgeben würde, so sich diese fänden und ihre Rechte beweisen könnten. Elencia stellte
     keine Fragen. Besonders deshalb nicht, weil Dzierżka kurz darauf ein Flüchtlingslager einrichtete und leitete, dem sie restlos
     ihre Werk- wie auch ihre Feiertage opferte.
    »Herrin«, Sobek Snorrbein beugte sich

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