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Gottesstreiter

Titel: Gottesstreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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nichts damit zu tun   ... Alles, was über mich   ... Alles, was du gehört hast, das sind Lügen und Gerüchte   ...«
    »Genug mit dem Gerede!«, unterbrach ihn Dorothea Faber vorsichtshalber. »Der Verband muss gewechselt werden. Hilf mir mal,
     Elencia!«
    Sie gaben sich Mühe, sanft und schonend mit ihm umzugehen, dennoch sog er einige Male scharf die Luft ein, ein paar Mal stöhnte
     er laut. Als sie den Verband entfernt hatten, wollte er die Wunde sehen, aber er war nicht in der Lage, den Kopf zu heben.
     Eine Diagnose durch Betasten musste ihm genügen. Und eine des Geruches. Beide Diagnosen fielen nicht zufrieden stellend aus.
    »Es eitert«, bestätigte Dorothea Faber ruhig. Durch einen Sonnenstrahl, der durch das Fenster hereinfiel, war ihr Gesicht
     umstrahlt von einer Aura von Heiligkeit.
    »Es eitert«, sagte sie noch einmal. »Und es ist geschwollen. Seit der Bader die Bolzensplitter herausgeholt hat. Aber es sieht
     besser aus als vorher. Besser, Junker Lancelot.«
    Ihr Antlitz war wie von Heiligkeit umstrahlt, ein goldener Heiligenschein schien auch Elencia von Stietencrons Haupt zu umgeben.
     Martha und Maria von Bethanien, dachte er, während ihm schwindlig wurde. Göttlich schön. Beide sind göttlich schön.
    »Ich heiße nicht   ...« In seinem Kopf drehte es sich mehr und mehr. »Ich heiße nicht Lancelot   ... Auch nicht Hagenau   ... Ich bin Reinmar von Bielau   ...«
    »Das wissen wir«, antworteten Martha und Maria aus ihrer himmlischen Helle.
    |602| »Wo ist mein Freund? Ein großer Mann, ein Riese fast   ... Er heißt Samson   ...«
    »Er ist hier, bleib ganz ruhig. Er ist am Kopf verwundet. Der Bader kümmert sich um ihn.«
    »Wie steht es um ihn?«
    »Sie sagen, er wird wieder gesund. Er ist sehr stark, sagen sie, er hält einiges aus. Hat ein geradezu unirdisches Durchhaltevermögen.«
    »Verdammt   ... Ich muss ihn sehen   ... Helft   ...«
    »Bleib liegen, Junker Reinmar.« Dorothea Faber schüttelte ein Kissen auf. »In deinem Zustand kannst du niemandem helfen. Nur
     dir selber schaden.«
     
    Das neben der Kirche St. Zoerardus gelegene Hospital, das diesen Heiligen ebenfalls als seinen Patron verehrte, eines von
     den beiden, über die Ohlau verfügte, unterstand dem Rat der Stadt und wurde von den Prämonstratensern von St. Vinzenz in Breslau
     geleitet. Neben den Prämonstratensern arbeiteten hauptsächlich Freiwillige im Hospital, wie Dorothea Faber und Elencia von
     Stietencron. Die Patienten waren momentan fast nur Taboriten und Waisen, Hussiten, die meisten davon schwer verwundet oder
     schwer krank. Es gab auch Verstümmelte. Alle waren sie in einem Zustand, der Prokop gezwungen hatte, sie als nicht transportfähig
     zurückzulassen. Aufgrund des Waffenstillstandes und des Abkommens – beides hatte man Herzog Ludwig von Ohlau abgepresst –
     war ihnen das Hospital St. Zoerardus überlassen worden. Hier wurden sie kuriert, und den Genesenen hatte man freies Geleit
     bei der Rückkehr nach Böhmen zugesichert. Einige der genesenen Böhmen mochten sich nicht auf das Wort Herzog Ludwigs, auf
     den Waffenstillstand und die Garantie für die Rückkehr, verlassen, sondern folgten einem ziemlich weit gehenden Pessimismus.
     Je weiter Prokop entfernt sei, behaupteten sie, umso weniger gelte der Waffenstillstand. Als die Gottesstreiter vor seinen
     Toren gestanden waren und die Möglichkeit von |603| Brand und Zerstörung durchaus gegeben war, da ist Herzog Ludwig zu Zugeständnissen und Schwüren bereit gewesen, zu allem,
     nur um sein Herzogtum zu retten. Jetzt, wo die Gottesstreiter hinter Bergen und Wäldern verschwunden waren, war auch die Bedrohung
     verschwunden, und aus Schwüren wurden Versprechungen. Und man weiß ja: Versprechen und Halten ist zweierlei!
    Als er am anderen Morgen erwachte, warf Reynevan einen Blick auf die Pritsche zu seiner Linken.
    Samson Honig lag darauf. Mit bandagiertem Kopf. Bewusstlos.
    Er wollte aufstehen, um nachzusehen, wie es um den Freund stand. Er konnte nicht. Er war zu schwach. In der geschwollenen
     linken Schulter pochte der Schmerz. Die Finger der linken Hand waren gefühllos, sie fühlten sich an wie Holz. Der Wundbrandgeruch
     hatte sich verstärkt.
     
    »Unter meinen Sachen war eine kleine Schatulle   ...«, stieß er stöhnend hervor, »eine kleine Messingschatulle   ...«
    Elencia seufzte. Dorothea Faber schüttelte den Kopf.
    »Als sie dich hierher gebracht haben, hattest du nichts bei dir. Du hattest nicht einmal

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