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Gottesstreiter

Titel: Gottesstreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Schuhe an. Sie haben dich barmherzig
     behandelt, aber die Barmherzigkeit erstreckte sich nicht auf deine Habe. Sie haben dich gründlich ausgeraubt.«
    Reynevan spürte, wie ihn eine heiße Welle überrollte. Bevor er aber noch fluchen und mit den Zähnen knirschen konnte, war
     seine Erinnerung zurückgekehrt. Und mit ihr die Erleichterung. Die unschätzbare Schatulle war bei Scharley geblieben. Reynevan
     hatte den an Durchfall Leidenden magisch behandelt, mit Hilfe von Meister Telesmas Amuletten. Als er sich mit Puchała zu dem
     Überfall aufgemacht hatte, hatte er die Schatulle bei dem Kranken zurückgelassen.
    Die Erleichterung hielt aber nur kurz an. Die Amulette, obwohl sie gerettet waren, befanden sich mit Scharley und |604| Tábor auf dem Rückweg nach Böhmen, waren momentan also außer Reichweite. Und die Situation erforderte es, sie bei der Hand
     zu haben. Seine eiternde Wunde benötigte magische Behandlung. Überließ er sie den traditionellen Methoden, drohte ihm der
     Verlust des Armes bis zum Schultergelenk. Im günstigsten Fall. Im schlimmsten kostete es ihn das Leben.
    »In Ohlau«, stöhnte er und fasste das Freudenmädchen an der Hand, »in Ohlau gibt es eine Apotheke   ... Der Apotheker hat bestimmt ein geheimes Alchemiekabinett   ... Nur für Eingeweihte   ... Für Leute aus der magischen Bruderschaft   ... Ich brauche magische Heilmittel. Für Samson   ... Für ihn brauche ich eine Arznei, die man
dodecatheon
nennt. Für mich, für meine Schulter, brauche ich
unguentum achilleum   ...
«
    »Der Apotheker   ...«, Dorothea schüttelte den Kopf, »der Apotheker verkauft uns nichts. Der lässt uns nicht einmal über seine Schwelle. Ganz
     Ohlau weiß, wen wir hier behandeln. Das Hospital steht unter dem Schutz und in der Obhut des Herzogs. Aber die Einwohner hassen
     euch. Sie helfen nicht. Es schadet, wenn wir dorthin gehen   ... Und man hat Angst, sich auf der Straße sehen zu lassen   ...«
    »Ich gehe«, sagte Elencia Stietencron. »Ich gehe in die Apotheke. Ich werde darum bitten   ...«
    »Sag ihm die Losung:
Visita Inferiora Terrae.
Der Apotheker wird verstehen   ...
Visita Inferiora Terrae   ...
Wirst du das behalten?«
    »Ich werde es mir merken.«
    Es gelang Reynevan mit großer Mühe, seinen im Fieber verschwimmenden Blick auf sie zu konzentrieren. Erneut hatte er den Eindruck,
     etwas Überirdisches umgebe sie. Ein Nimbus. Eine Aureole.
    »Die Medikamente   ...« Er spürte, er würde gleich das Bewusstsein verlieren. »Die Namen   ...
dodecatheon   ...
und
unguentum achilleum   ...
Wirst du das auch nicht vergessen?«
    »Ich vergesse es nicht.« Sie wandte sich ab. »Ich kann nicht. |605| Gott hat mich wohl damit gestraft, dass es mir unmöglich ist, etwas zu vergessen.«
    Er war zu krank, um zu bemerken, wie bitter das klang.
     
    »Dorothea?«
    »Ja, Reinmar?«
    »Als wir uns vor drei Jahren begegnet sind, hier in der Nähe von Ohlau, auf dem Weg nach Strehlen   ... Da wolltest du in die weite Welt wandern. Du hast gesagt, sogar bis nach Breslau. Um dein Brot dort zu verdienen   ... Irgendwie bist du nicht sehr weit gekommen   ...«
    »Ich war in Breslau.« Das Freudenmädchen stellte die Schüssel ab, aus der es ihn gefüttert hatte. »Ich war dort und bin wieder
     zurückgekehrt. Es läuft wohl darauf hinaus, dass das Brot überall gleich ist. Und dass man überall gleich schwer dafür arbeiten
     muss. Da bin ich zu meiner alten Arbeit zurückgekehrt, nach Brieg, ins Freudenhaus ›Zur Krone‹. Sollen sie mich wenigstens,
     wenn ich mal sterbe, auf demselben Gottesacker wie mein Mütterchen begraben. Und dann begannen die Kriegszüge, die Mönche
     in den Spitälern brauchten Hilfe, es gab eine Unzahl an Verwundeten und Kranken. Da musste man einfach helfen   ... Na, da habe ich eben geholfen. Zuerst in Brieg, im Hospital zum Heiligen Geist. Dann bin ich hierher gekommen, nach Ohlau.«
    »Du hast dich für ein Hospital entschieden   ... Das ist eine schwierige und schwere Arbeit, ich kenne mich da aus   ... Schwerer und undankbarer vielleicht als   ...«
    »Nein, Reinmar. Nicht wirklich.«
     
    Obwohl es beinahe an ein Wunder grenzte, hatte der Ohlauer Apotheker die benötigten Spezifika vorrätig. Obwohl es beinahe
     an ein Wunder grenzte, verkaufte er sie Elencia von Stietencron. Obwohl es beinahe an ein Wunder grenzte, war bereits nach
     den ersten Anwendungen die Wirkung ersichtlich. Die Schafgarbe,
achillea millefolium
, ein Kraut, das der

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