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Gottesstreiter

Titel: Gottesstreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Hauptbestandteil |606| des
unguentum achilleum
war, trug nicht von ungefähr den Namen eines der Helden vor Troja – unfehlbar schnell und sicher schloss es Wunden, die man
     im Kampfe davongetragen hatte. Nach dem ersten Behandlungstag konnte sich Reynevan schon aufsetzen und nach den beiden nächsten
     aufstehen – wenn auch nicht ohne Dorotheas und Elencias Hilfe.
    Und sich Samson widmen. Nach einem Tag der Anwendung des
dodecatheon
, einer Mixtur, die in ihrer Wirkung nur dem legendären
mola
nachstand, öffnete Samson die Augen. Obwohl die in der Ohlauer Apotheke erstandene Dosis des Medikaments gering war, erlangte
     der Riese nach zwei Tagen das Bewusstsein zurück. Zumindest so weit, um sich über die unerträglichen Kopfschmerzen zu beklagen.
     Dazu bedurfte es dann keiner Medizin mehr, Kopfschmerzen linderte Reynevan mit einer Beschwörung und durch Handauflegen. Samsons
     Schmerzen erwiesen sich aber als ziemliche Herausforderung, bis er ihrer Herr wurde, war er einigermaßen erschöpft. Beide,
     Arzt und Patient, lagen am nächsten Tag fast reglos da. Bis zum neunzehnten Mai.
    Am neunzehnten Mai fingen die Probleme an.
     
    »Einen Schwarzhaarigen«, wiederholte Dorothea Faber. »Schwarz gekleidet. Lange schwarze Haare, bis zu den Schultern. Ein Gesicht
     wie ein Vogel, die Nase wie ein Schnabel. Und einen Blick wie der Teufel. Kennst du so jemanden?«
    »Den kenne ich, verdammt noch mal«, brachte er mühsam hervor und wischte sich den kalten Schweiß von der Stirn. »Den kenne
     ich, und wie!«
    »Er kennt dich auch. Er war beim Spitalverwalter und hat dich ganz genau beschrieben. Er hat gefragt, ob so einer hier sei.
     Zum Glück ist der Spitalverwalter ein anständiger Mensch, und er hat überhaupt kein Gedächtnis, was Gesichter anbelangt. Daher
     hat er auch vollkommen aufrichtig Nein gesagt, nein, so einen habe er nie gesehen, und so einer sei |607| auch nie hier im Spital gewesen. Und als jener schwarze Vogelmensch verlangt hat, ins Hospital eingelassen zu werden, da hat
     der Spitalmeister dies rundweg abgelehnt und sich auf die herzoglichen Befehle berufen, auf das Abkommen, das den Hussiten
     sicheres Asyl garantiert. Der andere hat versucht, ihn zu erschrecken und ihm zu drohen, als er aber gemerkt hat, dass dies
     vergebens war, ist er weggeritten. Nicht ohne zuvor zu verkündigen, er werde bald zurückkommen, mit der Erlaubnis des Herzogs
     in der Hand, und werde dann das Hospital gründlich durchsuchen, und wenn er dich fände und sich erwiese, dass der Spitalmeister
     gelogen habe, dann gnade ihm Gott. Ha, Reynevan, mir scheint, dieser Vogelmensch gehört tatsächlich zu denen, die Not mit
     sich bringen. Und dies sogar gern.«
    »Da hast du vollkommen Recht.«
    »Mir schwant auch, dass er mit der herzoglichen Erlaubnis zurückkehren wird.«
    »Da hast du vollkommen Recht. Ich muss von hier verschwinden, Dorothea. Sofort. Heute noch.«
    »Ich muss auch verschwinden«, jammerte Elencia. Sie war weiß wie die Wand.
    »Ich kenne diesen Menschen auch   ...«, brachte sie endlich heraus. »Ich denke, er ist meiner Spur bis nach Ohlau gefolgt. Er verfolgt mich.«
    »Das ist unmöglich«, widersprach ihr Reynevan. »Er verfolgt mich! Mich fordert er heraus. Ich bin sein Ziel.«
    »Nein. Ich. Ich bin sicher, dass ich es bin.«
    Samson setzte sich auf seiner Pritsche auf. Seine Augen waren schon ganz klar.
    »Ich denke«, sagte er bei vollem Bewusstsein, »dass ihr euch beide irrt.«
     
    Sie verließen Ohlau, unbemerkt und noch vor Einbruch der Dämmerung. Dorothea Faber hatte, wie sich herausstellte, viele gute
     Bekannte unter den richtigen Leuten. Der Fuhrknecht |608| des Hospitals, der das rothaarige Freudenmädchen mit zärtlichen Blicken bedachte, besorgte ihnen Kleider und half ihnen, das
     Hospital heimlich zu verlassen. Einen ähnlich weichen Blick hatte auch ein kräftiger Knecht, der sie zum Stall brachte und
     Samson beim Gehen half. Denn helfen musste man ihm noch. Reynevan selbst war auch nicht gerade in blendender Form. Beunruhigt
     dachte er an den Ritt, der ihnen bevorstand.
    Dorothea und Elencia hatten auch daran gedacht, wie sich zeigte. Mit Hilfe des Fuhrknechtes und des anderen Knechtes banden
     sie die beiden mit Riemen in den Sätteln fest, so dass sie sich in einer mehr oder weniger senkrechten Position darauf halten
     und nicht herunterrutschen oder fallen konnten. Das war alles andere als bequem. Aber Reynevan beklagte sich nicht. Er hatte
     allen Grund anzunehmen,

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