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Gottesstreiter

Titel: Gottesstreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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der Lage war aufzustehen.
     
    Jutta wich auch nicht einen Schritt von Reynevans Seite. Ihre Augen leuchteten vor Tränen und vor Liebe.
     
    Der Krieg, den sie schon beinahe vergessen hatten, brachte sich kurz nach Trinitatis wieder in Erinnerung. Am Morgen des ersten
     Junitages versetzte Kanonendonner von Westen her Reynevan, Jutta und die Nonnen von Weißkirchen in Unruhe. Noch bevor genaue
     Nachrichten bis zum Kloster vorgedrungen waren, hatte Reynevan geahnt, worum es ging. Jan Kolda von Žampach hatte sich nicht
     mit der Armee Prokops des Kahlen zurückgezogen, er war in Schlesien geblieben, auf dem Zobten verschanzt. Er und seine Räuberbande
     waren für die |615| Schlesier wie Salz im Auge oder ein Stachel im Hintern, zu widerlich, als dass man sie hätte hinnehmen können. Ein starkes
     und mit schweren Bombarden ausgerüstetes Kontingent aus Breslau und Schweidnitz belagerte die Burg auf dem Zobten und hatte
     mit dem Beschuss begonnen, nicht ohne zuvor Jan Kolda aufgefordert zu haben, sich zu ergeben. Kolda hatte sie daraufhin, wie
     eine mehrhäuptige Fama zu berichten wusste, mit einer volkstümlichen Bezeichnung für das männliche Geschlechtsorgan angesprochen
     und ihnen empfohlen, sie möchten sich doch gegenseitig befriedigen. Worauf er sich auch noch revanchiert hatte, indem er sie
     von den Mauern herab mit Geschützfeuer versorgte.
    Die gegenseitige Beschießung dauerte eine Woche, und eine Woche lang zerriss es Reynevan fast vor Verlangen, zum Zobten zu
     ziehen und Kolda irgendwie, vielleicht durch Spionage und Sabotage, zu helfen. Er konnte kaum gehen, vom Reiten ganz zu schweigen,
     aber ihm war nach Kampf. Jutta bereitete diesem Verlangen ein Ende und erledigte seine Kriegspläne endgültig. Jutta war standhaft.
     Sie stellte ihm ein Ultimatum, entweder sie oder der Krieg. Reynevan entschied sich für sie.
    Jan Kolda von Žampach verteidigte sich auch noch die ganze kommende Woche über und brachte den Schlesiern derart empfindliche
     Verluste bei, dass er, als sich seine Möglichkeiten, weiterhin Widerstand zu leisten, erschöpft hatten, eine gute Verhandlungsposition
     besaß. Er kapitulierte am Tage nach dem Festtag des heiligen Antonius, aber zu ehrenvollen Bedingungen, mit dem Versprechen,
     ihm freien Abzug nach Böhmen zu gewähren. Die Burg auf dem Zobten aber schleiften die Schlesier und ließen dabei keinen Stein
     auf dem anderen, damit sie, um Gottes willen, nicht noch einmal einem Kolda dienen konnte.
    Diese Einzelheiten erfuhr Reynevan vom Gärtner, der auf dem Gutshof des Klosters arbeitete und außer guten Informationsquellen
     auch eine Vorliebe und ein Talent für Gerüchte und deren Verbreitung besaß. Nachdem der Zobten gefallen |616| war, brachte der Gärtner eher beunruhigende Neuigkeiten. Schlesien erholte sich endlich vom Osterzug der Hussiten. Und begann
     sich abzureagieren. Mit Gewalt und Blut. Die Hinrichtungsstätten waren überschwemmt mit dem Blut derer, die sich im Kampf
     als feig erwiesen oder mit den Böhmen paktiert hatten. Die Anhänger der hussitischen Lehre brannten auf den Scheiterhaufen,
     und auch jene, die man dessen verdächtigte. Auf Rädern und Pfählen verendeten Bauern, die den Hussiten gedient hatten. Die
     Galgen bogen sich unter der Last derer, die man denunziert hatte. Da man schon einmal dabei war, wurden auch jene hingerichtet,
     die mit den Hussiten rein gar nichts zu tun gehabt hatten. Wie üblich: Juden, Freidenker, Troubadoure, Alchemisten und Engelmacherinnen.
    Der bis dahin sichere Zufluchtsort hinter den Klostermauern verlor plötzlich seine Beschaulichkeit. Der Rekonvaleszent Reynevan
     fuhr, mit kaltem Schweiß bedeckt, bei jedem Läuten der Glocke und bei jedem Klopfen an der Pforte empor. Und schlief erleichtert
     wieder ein, wenn es nicht die Inquisition und auch nicht Birkhart von Grellenort war, sondern nur der Fischhändler mit seiner
     Lieferung.
     
    Die Zeit verging, Ruhe, Pflege und Behandlung taten das Ihrige. Die Wunden verheilten, langsam, aber gut. Nach St. Antonius
     stand Samson auf, und nach St. Gervasius und Protasius fühlte er sich schon so wohl, dass er begann, dem Gärtner bei der Arbeit
     zur Hand zu gehen. Reynevan war schon so weit wiederhergestellt, dass ihm Blicke und Händchenhalten mit Jutta nicht mehr genügten.
    Die Johannisnacht kam. Die Klarissen von Weißkirchen feierten sie mit einer Messe. Reynevan und Jutta aber, gefolgt von den
     neugierigen Blicken der Nonnen, liefen in den Wald, um die

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