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Gottesstreiter

Titel: Gottesstreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Dingen.«
    »Tatsächlich? Du willst, sagst du, die Kirche verändern. Deshalb erzähle ich dir, wie wir sie verändern. Du willst, sagst
     du, Reformen, selbst die radikalsten. Ich möchte dich daran erinnern, dass sogar schon Könige übermütige Prälaten reformiert
     haben: Boles ław II. der Kühne, Heinrich II.   Plantagenêt, Wenzel IV., hier in Prag. Und was hat das gebracht?
    Einen Unruhestifter, Stanislaus von Szczepanów: geköpft; einen frechen Pfaffen, Thomas Becket: erstochen; einen Schwindler,
     Johannes von Pomuk: ertränkt. Einen Tropfen im Meer! Nicht radikal genug, Einzelaktionen anstelle einer Großaktion. Was mich
     betrifft, so ziehe ich die Methode von Žižka, Prokop und Ambros vor. Deren Ergebnisse fallen entschieden mehr ins Auge. Du
     sagtest, vor der Revolution habe jeder zwanzigste Prager eine Kutte oder einen Habit getragen. Wie viele siehst du heute noch
     auf der Straße?«
    »Wenige. Pass auf, wir fahren gleich unter der Steinernen Brücke hindurch, da spucken sie immer runter. Manchmal pissen sie
     auch.«
    Tatsächlich hingen an der Brüstung der Brücke Gassenbuben, die versuchten, auf jedes unten hindurchfahrende Boot, auf jede
     Barke und jede Schute hinunterzuspucken oder hinunterzupissen. Zum Glück glitten zu viele Boote unter der Brücke hindurch,
     als dass es den Gassenjungen gelungen wäre, |84| mehr als ein paar zu treffen. Das Boot mit Reynevan und Scharley hatte Glück.
    Die Strömung trug sie näher ans linke Ufer. Sie glitten an dem arg beschädigten Bischofspalast und den Ruinen des Augustinerklosters
     vorbei. Dahinter, über der Brandstätte der Kleinseite und hoch über dem Fluss, erhob sich imponierend der Felsen des Hradschins,
     stolz gekrönt von der Burg und den Türmen des St.- Veits-Doms.
    Der Schiffer stieß mit seiner Stange das Boot in die Strömung zurück, sie fuhren wieder schneller dahin. Das rechte Ufer hinter
     der Mauer füllte schon die geschlossene Bebauung der Altstadt, das linke Ufer war malerischer – Weinberge nahmen es fast zur
     Gänze ein. Einst, vor der Revolution, hatten sie fast alle den Klöstern gehört.
    »Vor uns«, der Demerit wies auf die Kirchtürme am rechten Ufer, »liegt St. Franziskus, wenn ich mich nicht irre. Steigen wir
     hier aus?«
    »Noch nicht. Wir fahren noch bis zum Wehr, von dort sind es nur ein paar Schritte bis zu den Tuchlauben.«
    »Scharley?«
    »Ich höre.«
    »Geh etwas langsamer. Uns drängt nichts, und ich wollte   ...«
    Scharley blieb stehen und winkte den Mädchen in der Seifensiederei, was ein Konzert aus hellem Gelächter hervorrief. Er zeigte
     einer Schar Kinder, die die Zunge herausstreckten und kindliche Flüche ausstießen, demonstrativ seinen Ellenbogen. Er reckte
     sich und blinzelte in die Sonne, die hinter dem Kirchturm hervorlugte.
    »Ich kann mir schon denken, was du willst.«
    »Ich habe mir deine Auslassungen über historische Prozesse angehört. Dass Rache ein eitles Unterfangen ist, predigt Samson
     mir Tag für Tag. König Xerxes, der das Meer peitschte, ist jämmerlich und lächerlich. Dennoch   ...«
    »Ich höre dir mit großer Aufmerksamkeit zu. Und mit zunehmender Beunruhigung.«
    |85| »Ich habe große Lust, diese Hundesöhne, die Peterlin getötet haben, in die Finger zu kriegen. Besonders diesen Birkhart Grellenort.«
    Scharley schüttelte den Kopf und seufzte.
    »Genau das habe ich befürchtet. Dass du das sagst. Erinnerst du dich noch an unsere Reise, Reinmar, an Schlesien vor zwei
     Jahren? An die schwarzen Reiter, die ›Hier sind wir‹ schrien? An die Fledermäuse im Zisterzienserwald? Damals hat Huon von
     Sagar unsere Ärsche gerettet. Wäre Huon damals nicht rechtzeitig zur Stelle gewesen, hinge die Haut unserer Ärsche heute schön
     getrocknet über dem Kamin jenes Birkhart von Grellenort. Ich vernachlässige jetzt einfach mal die Tatsache, dass dieser Birkhart
     im Dienste des Bischofs Konrad steht, des mächtigsten Mannes in ganz Schlesien, ein Mann, der nur mit dem kleinen Finger zu
     winken braucht, damit man uns auf Pfähle spießt. Und jener Grellenort ist kein gewöhnlicher Häscher, er hängt der schwarzen
     Magie an. Der Kerl kann sich in einen Vogel verwandeln, und du sagst, du würdest ihn gern in die Finger kriegen? Ja, wie denn,
     da bin ich aber neugierig.«
    »Es würde sich schon ein Weg finden. Der findet sich immer, da genügt der ehrliche Wille. Und ein paar Ideen. Ich weiß, dass
     es verrückt ist, nach Schlesien zurückzukehren. Aber sogar

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