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Gottesstreiter

Titel: Gottesstreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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verrückte Unternehmungen können gelingen, wenn man nach einem gut
     durchdachten Plan vorgeht. Stimmt’s?«
    Scharley blickte ihn prüfend an.
    »Ich merke, dass dich deine neuen Freunde auf deutliche und interessante Weise beeinflussen. Ich denke dabei selbstverständlich
     an die berühmte Gesellschaft aus der Apotheke ›Zum Erzengel‹. Ich bezweifle nicht, dass man viel von ihnen lernen kann. Die
     Schwierigkeit ist nur, aus dieser Vielfalt das herauszufinden, was des Lernens wert ist. Wie steht es denn damit?«
    »Ich gebe mir Mühe.«
    »Das ist lobenswert. Aber sag mal, wie bist du eigentlich mit ihnen in Verbindung gekommen? Das war doch wohl nicht ganz leicht?«
    |86| »War es nicht.« Reynevan lächelte, als er sich daran erinnerte.
    »Um die Wahrheit zu sagen, es bedurfte schon eines Zufalls, der an ein Wunder grenzte, einer Fügung. Und stell dir vor, diese
     ist tatsächlich eingetreten. An einem heißen Julitag Anno Domini 1426.«
     
    Svatopluk Fraundinst, Erster Arzt am Spital der Kreuzherren mit dem roten Stern an der Steinernen Brücke, war ein Mann in
     den besten Jahren, von stattlicher Gestalt und immerhin so ansehnlich, dass er, ohne sich groß anzustrengen, die im Spital
     seit der Zeit vor der Revolution tätigen Benediktinerinnen, die von den Hussiten aus ihrem Kloster vertrieben worden waren,
     verführen und bei jeder geeigneten Gelegenheit vögeln konnte. Es verging kaum eine Woche, in der man nicht hören konnte, wie
     eine vom Doktor in eine Kammer verfrachtete Schwester juchzte, stöhnte und die Heiligen anrief.
    Dass Svatopluk Fraundinst ein Magier war, hatte Reynevan schon gleich zu Anfang vermutet, am ersten Tag, als er mit der Arbeit
     dort begann und dem Chirurgen bei seinen Operationen assistierte. Denn erstens war Svatopluk Fraundinst, ein ehemaliger Kanoniker
     vom Vyšehrad,
doctor medicinae
der Karls-Universität, der die
licentia docendi
in Salerno, Padua und Krakau erworben hatte, ein Schüler des Matĕj von Bechyna, eines engen Mitarbeiters des berühmten Bruno
     von Osenbrughe. Meister Bruno von Osenbrughe war seinerzeit eine lebende Legende der europäischen Medizin, und Matĕj von Bechyna
     verdächtigte man, der Magie zuzuneigen, sowohl der weißen wie auch der schwarzen. Allein die Tatsache, dass Svatopluk Fraundinst
     sich mit der Chirurgie befasste, besagte so einiges – Universitätsmediziner machten sich ihre Hände nicht mit der Chirurgie
     schmutzig, sondern überließen sie den Henkern und den Barbieren, ja, sie ließen sich nicht einmal zu einer Phlebotomie herab,
     die an allen Lehrstühlen als Allheilmittel gerühmt wurde. Diejenigen Ärzte hingegen, die Magier waren, scheuten nicht vor
     der Chirurgie zurück und waren sogar gut darin – und |87| Fraundinst war ein unglaublich geschickter Chirurg. Kamen dann noch die typische Manier von Worten und Gesten hinzu, der ganz
     offen getragene Ring mit dem Pentagramm, die scheinbar unwichtigen und wie von ungefähr hingeworfenen Äußerungen, konnte man
     sich einer Sache fast sicher sein. Nämlich der, dass Svatopluk Fraundinst einen mehr als flüchtigen Kontakt zur schwarzen
     Magie unterhielt und versuchte, Reynevan bei bestimmten Anlässen zu überprüfen. Selbstverständlich sah Reynevan sich vor,
     er lavierte und umging die Fallen so geschickt, wie er konnte. Die Zeiten waren hart, und man konnte nichts und niemandem
     über den Weg trauen.
    Bis es eines schönen Tages im Juli, am Tage vor dem Fest des Apostels Jakobus des Älteren, geschah, dass man aus der nahe
     gelegenen Sägemühle einen Brettschneider ins Spital brachte, der sich an einer Säge schwer verletzt hatte. Das Blut floss
     in Strömen, und Fraundinst, Reynevan und die vorrevolutionäre Benediktinerin taten, was sie konnten, damit es aufhörte herauszuschießen.
     Es gelang ihnen nur schlecht, sei es durch die Schwere der Verletzung, vielleicht hatten sie aber auch ganz einfach nur einen
     schlechten Tag. Als ihm zum wiederholten Male das Blut aus der Arterie direkt ins Auge spritzte, stieß Doktor Svatopluk einen
     kräftigen Fluch aus, so schlimm, dass die Benediktinerin erst wankte und dann floh. Aber der Doktor sprach einen Bindefluch,
     auch »Zauber der Alkmene« genannt. Er tat dies mit einem Wort und einer Geste, Reynevan hatte noch nie im Leben eine derart
     elegant hingelegte Beschwörung gesehen. Die Arterie schloss sich auf der Stelle, das Blut begann sofort, dunkel zu werden
     und zu stocken. Fraundinst wandte Reynevan

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