Gottesstreiter
Hochmeisters des Deutschen Ordens. Dies klang verdächtig pessimistisch, denn in jenem Fall waren alle
Bemühungen der deutschen Magier vergebens gewesen – Poppo von Osterna war und blieb bis an sein Lebensende ein »Anderer«,
was übrigens niemand bedauerte, denn der eigentliche Poppo war ein Hurensohn gewesen.
Teggendorf war guten Mutes, das
infortunium
erachtete er für ganz gewöhnliches Pech, berief sich dabei auf al-Kindī und salbaderte unaufhörlich von Sheitanen, Ghuls,
Dschinns und Ifriten. Fraundinst und Edlinger Brehm gaben den
dies aegyptiaci
, den pechbringenden ägyptischen Tagen, die Schuld, zu diesen zählte ihrer Auffassung nach jener unglückliche Freitag, der
einunddreißigste August 1425, der Tag der Exorzismen in jenem schlesischen Benediktinerkloster. Die böse »ägyptische« Aura,
sagten sie, habe seinerzeit den Exorzismus und seine Wirkung beeinträchtigt, die Sache sei dadurch extrem untypisch geworden,
und es werde schwierig sein, sie umkehrbar |109| zu machen. Telesma seinerseits war der Ansicht, man erreiche überhaupt nichts ohne Talismane, und versprach, die dazu notwendigen
herzustellen. Radim Tvrdik stotterte etwas von Golems und Schemen, bevor man ihn beschimpfen konnte.
Stephan von Drahotuše hingegen kritisierte
in toto
die von den Magiern angewandte Strategie und Taktik. Der Fehler, so behauptete er, sei nicht so sehr die Methode, diese sei
zweitrangig, sondern das Ziel, das man sich gesetzt habe. Aufgrund der einfachen und keine Diskussion erfordernden Hypothese,
dass Geist und Persönlichkeit Samson Honigs durch eine unbekannte Macht in den Körper eines dümmlichen Kraftpakets befördert
worden seien, müssten die Bemühungen auf die Umkehr des Prozesses gerichtet sein, mit anderen Worten, auf die Entdeckung der
Ursache, denn
nihil fit sine causa.
Entdecke man jene
causa efficiens
, lasse sich der Prozess vielleicht umkehren. Was aber täten die Magier vom »Erzengel«? Sie konzentrierten sich darauf, das
Geheimnis zu lüften, zu entdecken, das Samson selbst entweder nicht verraten könne oder wolle. Mit ihren Bemühungen, herauszufinden,
wer oder was Samson sei, strebten die Magier lediglich danach, ihre eigene Neugier und Eitelkeit zu befriedigen, sie gingen
wie Ärzte vor, die sich abmühten, eine rätselhafte Krankheit zu diagnostizieren und eingehend zu untersuchen, ohne geringste
Rücksichtnahme und ohne Mitleid mit dem Patienten zu empfinden, der von jener Krankheit befallen sei.
Die Magier empörten sich und schrien den Mähren nieder. Bevor man mit dem Heilen anfangen könne, müsse man sich der Metamorphose
zuwenden, es sei notwendig, die Krankheit bis in ihre Tiefen hinein zu erkennen.
Scire
, zitierten sie Aristoteles,
est causam rei cognoscere.
Wer oder was Samson wirklich sei, stelle das Schlüsselelement dar. Samsons Geheimnis und sein Inkognito seien, um bei medizinischen
Vergleichen zu bleiben, nicht nur die Symptome, sondern auch der
nexus
, der Kern, das Wesen der Krankheit selbst; wenn also die Krankheit ausgeheilt werden solle, müsse das Geheimnis entdeckt
werden.
|110| Und so begannen sie zu entdecken. Mit Eifer und Verve. Ohne auch nur den Hauch eines Ergebnisses.
In der Zwischenzeit war es Samson gelungen, sich mit allen Magiern vom »Erzengel« anzufreunden. Mit Jan Bezdĕchovsky´ diskutierte
er stundenlang über Gott und die Natur. Mit Edlinger Brehm stand er ganze Tage vor den Alembiks und Retorten, die Worte
»solve et coagula«
auf den Lippen. Mit Teggendorf diskutierte er die Theorien der arabischen Hakim und der jüdischen Kabbalisten. Mit Stephan
von Drahotuše beugte er sich über unbekannte, stark zerfledderte Manuskripte von Petrus von Abano und Cecco d’Ascoli. Gemeinsam
mit Jost Dun stellte er Talismane her, die beide später in der Stadt ausprobierten. Mit Radim Tvrdik wanderte er zur Moldau,
um Schlamm zur Schöpfung eines Golems zu holen. Für Beneš Kejval machte er als Dummkopf vorsorglich Einkäufe bei den Apotheken
der Konkurrenz.
Mit allen spielte er Karten, soff und sang.
Die Magier hatten Samson Honig lieb gewonnen. Reynevan konnte sich des Gedankens nicht erwehren, dass sie ihn so sehr mochten,
dass sie alles, was dazu führen konnte, sich von ihm trennen zu müssen, vermieden hatten.
Die Tür, die zum
occultum
führte, öffnete sich, und Vinzenz Reffin Axleben trat heraus. Er raffte die Falten seines schwarzen Gewandes, setzte sich
an den Tisch und leerte in
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