Gottesstreiter
nun ein Teufel ist? Der Teufel selbst, in Menschengestalt? |113| Ha, sagt jetzt nicht, dass Euch dieser Gedanke nicht auch schon gekommen wäre! Das wäre doch ein teuflisches Kunststückchen,
wie es im Buche steht: betören, blenden, durch Vorspiegelung täuschen.
Diabolus potest
, wie die Klassiker gesagt haben,
sensum hominis exteriorem immutare et illudere.
Er kann dies auf vielerlei Art bewirken, indem er unser abbildendes Sinnesorgan, also unser Auge, verwandelt und der Augensubstanz
etwas beimischt, so dass wir den Gegenstand, auf den wir schauen, so wahrnehmen, wie der Dämon will, dass wir ihn wahrnehmen
sollen. Schon vor Jahren haben Bonaventura, Michael Psellos, Petrus Lombardus, Witelo und Nikolaus Jauer darüber geschrieben,
es wäre gar nicht verkehrt, sich an jene Werke zu erinnern.«
»Strohkopf«, flüsterte Fraundinst. Axleben tat wieder so, als höre er nichts.
»Ich stelle aber fest«, er verlieh seiner Erkenntnis Nachdruck, indem er mit der flachen Hand auf den Tisch schlug, »dass
wir es hier weder mit einem Teufel noch mit einem Fall von Besessenheit durch einen Dämon zu tun haben. Das Eingreifen von
Dämonen in das menschliche Leben ist möglich und geschieht recht häufig, wir haben genug gesehen, um daran nicht zu zweifeln.
Aber das ist eine Erscheinung, die im Einklang mit dem Willen des Schöpfers geschieht, der sie zulässt
ad gloriae suae ostensionem vel ad peccati poenitentiam sive ad peccantis correccionem sive ad nostram erudicionem.
Der Dämon an sich ist nicht der Urheber. Der Dämon ist der
incentor, excitator
und
impellator
, der Helfer, der Wühler und der Verführer, der, der das in uns schlummernde Böse mehrt und unsere sündige Natur zu bösen
Taten durchwühlt. Ich aber ...«
»Ich finde nichts Böses in jenem Menschen, den zu untersuchen Ihr mich gebeten habt«, schloss er dann. »In ihm, ich weiß,
dass das lächerlich klingt, findet sich nicht die geringste Regung des Bösen.«
»Auf Euren Gesichtern steht, ich sehe es, geschrieben, dass Ihr selbst zu einer ähnlichen Schlussfolgerung gelangt seid. |114| Und ich sehe noch etwas, das dort geschrieben steht: den sehnlichen Wunsch, ich möchte endlich meine Niederlage eingestehen.
Mich für besiegt zu erklären. Ich erkläre daher: Ich habe eine Niederlage erlitten, ich habe nichts errungen. Seid Ihr nun
zufrieden? Großartig. Dann lasst uns in eine Wirtschaft gehen, denn ich bin hungrig geworden. Seit meinem letzten Besuch in
Prag träume ich geradezu von böhmischen Knödeln mit Kraut ... Was macht Ihr denn für Gesichter? Ich hätte gedacht, dass meine Niederlage Euch erfreut.«
»Was redet Ihr denn da, Meister Vinzenz?«, fragte Fraundinst unaufrichtig lächelnd. »Etwas anderes bereitet uns Sorge. Wenn
selbst Ihr nicht in der Lage wart, bis zum Wesen der Dinge vorzudringen ...«
»Wer sagt denn«, antwortete der Nekromant mit geschwellter Brust, »dass ich dazu nicht in der Lage gewesen wäre? Ich war es,
ich habe es getan.«
»Der Perisprit ist positiv«, setzte er dann hinzu und genoss die Aufmerksamkeit, Konzentration und erhoffte Stille. »Sagt
Euch diese Bezeichnung etwas? Die Frage ist müßig, denn natürlich sagt es Euch etwas. Davon, dass so etwas wie ein kreisender
Perisprit existiert, habt Ihr sicher auch schon gehört. Dieser Sachverhalt wird in der Fachliteratur recht gut beschrieben,
ich rate herzlichst, sie einzusehen.«
»Ich rate auch«, fuhr Axleben fort, ohne sich auch nur im Geringsten um die hasserfüllten Blicke der Magier vom »Erzengel«
zu kümmern, »den Fall Poppo von Osternas, des Hochmeisters des Deutschen Ordens, gründlich zu studieren. Wie auch den recht
ähnlichen, ja von seiner Natur her vollkommen identischen
casus
der Lucilla, der Tochter des Mark Aurel. Vielleicht erinnert Ihr Euch daran? Nein? Dann ruft es Euch wieder ins Gedächtnis.
Mit Eurem ... Samson ist das Gleiche geschehen wie mit Lucilla oder Poppo. Der Kern dieser Sache ist der positive und kreisende Perisprit.
Genauso ist es. Ich weiß es. Leider reicht Wissen allein hier nicht aus. Denn ich kann damit nichts anfangen. Das heißt: Ich
habe jenem |115| Samson nicht helfen können und kann es auch weiterhin nicht. Lasst uns zu Tisch gehen.«
»Wenn Ihr es nicht vermocht habt«, Stephan von Drahotuše zwinkerte mit den Augen, »wer schafft es dann?«
»Rupilius der Schlesier«, antwortete Axleben sofort. »Kein anderer.«
»Ja, lebt der denn noch?«,
Weitere Kostenlose Bücher