Gottesstreiter
gefangen
hielt. Gegen eine solche Gefangenschaft, meinte der deutsche Magier, könne man nichts tun. Das Einzige, was man tun könne,
sei, sich gut zu führen und auf eine Amnestie zu warten.
Der
reverendissime doctor
Jan Bezdĕchovský von Bezděchov war der älteste, erfahrenste und angesehenste der Magier vom »Erzengel«. Kaum einer wusste
Näheres über ihn, er mochte es nicht, wenn über ihn gesprochen wurde, und er selbst sagte nichts. Er zählte – was allein schon
an ein Wunder grenzte und von außergewöhnlichen magischen Fähigkeiten zeugte – nicht |102| weniger als siebzig Jahre, wusste man doch immerhin, dass er zur Zeit Karls V. des Weisen, der 1380 gestorben war, an der
Sorbonne gelehrt hatte und demnach, den Regeln der Universität gemäß, das einundzwanzigste Lebensjahr vollendet haben musste.
Zu den Universitäten, an denen er studiert und an denen er gelehrt hatte, gehörten mit Sicherheit Paris, Padua, Montpellier
und Prag – und gewiss war mit diesen vier die Liste noch nicht zu Ende. Es ging das Gerücht, dass sich Bezdĕchovský in Prag
auf einen ernsthaften und heftigen persönlichen Streit mit dem Rektor der Universität, dem berühmten Johannes Schindel, eingelassen
hatte. Die Ursachen dieses Konflikts, von dem Reynevan schon während seiner Studienzeit gehört hatte, waren nicht bekannt,
führten aber dazu, dass Bezdĕchovský die Universität verließ und alle Kontakte dorthin abbrach. Nach dem Jahre 1417 war Bezdĕchovský
ganz einfach verschwunden. Man rätselte, wo er abgeblieben sein konnte. Auch Reynevan hatte herumgerätselt. Jetzt wusste er
es.
»Sei gegrüßt, junger Freund«, sagte Bezdĕchovský. Als einziger Magier redete er Reynevan nie mit dem Vornamen an. »Sei auch
du gegrüßt, Herr Scharley, dein Ruhm eilt dir voraus. Wir haben vernommen, dass du schon das zweite Jahr bei den Taboriten
weilst. Wie steht es denn um den Krieg? Was gibt es zu berichten?«
Jan Bezdĕchovský war der Einzige in der Runde, der kein Interesse für Politik aufbrachte. Die Kriegsereignisse, die ganz Prag
fesselten, waren dem Alten völlig einerlei. Er fragte aus purer Höflichkeit.
»Ja, um den Krieg steht es ganz gut«, erwiderte Scharley höflich. »Die gerechte Sache siegt, die ungerechte verliert. Unsere
schlagen die anderen. Ich wollte sagen, das Gute besiegt das Böse. Das heißt, die Ordnung triumphiert über das Chaos. Und
Gott freut sich darüber.«
»Ach, ach.« Der alte Magier freute sich. »Das ist wirklich schön. Setz dich zu mir, Herr Scharley, und erzähle ...«
Reynevan nahm bei den anderen Magiern Platz. Radim |103| Tvrdik goss ihm Wein ein, der dem Bukett nach zu urteilen ein spanischer aus Alicante sein musste.
»Wie steht es?«, fragte Stephan von Drahotuše und wies mit einer Kopfbewegung auf die geschlossene Tür, die zum
occultum
, in den Götter- und Beschwörungssaal, führte. »Gibt’s schon Ergebnisse? Oder wenigstens Vorzeichen dafür am Himmel und auf
der Erde?«
»Meister Axleben zieht es vor, allein zu arbeiten«, antwortete Teggendorf. »Er mag es nicht, wenn man ihm über die Schulter
schaut. Er hütet seine geheimnisvollen Methoden streng.«
»Sogar vor denen, die ihm Gastfreundschaft gewähren«, kommentierte Fraundinst mit saurer Miene. »Damit zeigt er ihnen, wofür
er sie hält. Für Diebe, die auf seine Geheimnisse aus sind. Vor dem Schlafengehen versteckt er vermutlich auch seine Geldkatze
und seine Schuhe unterm Kopfkissen, dass wir sie ihm nicht wegstehlen.«
»Er hat bei Sonnenaufgang begonnen«, warf Radim Tvrdik ein, der sah, dass sich Reynevan mehr für Samson Honig als für die
Meinung anderer über Axleben interessierte. »Selbstverständlich nur mit dem Objekt, also mit Samson. Er wollte keine Hilfe,
obwohl wir sie ihm angeboten haben. Er hat um nichts gebeten, weder um Instrumente noch um Weihrauch, auch nicht um ein
aspergillum
. Er muss also recht wirksame Artefakte haben.«
»Oder es gilt für ihn«, setzte Brehm hinzu, »was man auch über Manusfortis sagt. Man darf ihn nicht unterschätzen.«
»Wir unterschätzen ihn nicht«, versicherte Telesma. »Schließlich ist das trotz allem Vinzenz Axleben höchstpersönlich, der
magnus experimentator et nigromanticus.
Am Wissen über die Magie fehlt es ihm sicherlich nicht. Das ist ein Meister. Daher hat er auch das Recht, ein wenig extravagant
zu sein.«
»Was für ein kompliziertes Wort.« Fraundinst verzog das Gesicht. »In Mala
Weitere Kostenlose Bücher