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Gottesstreiter

Titel: Gottesstreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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einem Zug einen Kelch mit Alicante-Wein. Dann saß er da, inmitten von Stille und Schweigen, gab
     auch selbst keinen Laut von sich. Er war blass und schweißbedeckt, seine spärlichen Haare an Schläfen und Scheitel klebten
     vom Schweiß.
    Vinzenz Reffin Axleben war nur auf der Durchreise in Prag. Von Salzburg aus, wo er wohnte, war er nach Krakau aufgebrochen,
     zu einer Reihe von Vorträgen an der dortigen Universität. Von Krakau aus wollte der Magier nach Danzig reisen, von dort über
     Königsberg nach Riga, Dorpat und Pernau. Uppsala war dann das letzte Ziel seiner Reise, wie Reynevan |111| gehört hatte. Auch andere Dinge waren ihm zu Ohren gekommen. Dass Axleben, obschon ein mächtiger, fähiger und berühmter Magier,
     nicht unbedingt geschätzt wurde, widmete er sich doch der Nekromantie und Dämonomantie, was man nicht gerne sah, und dass
     seine Spielchen mit Leichen und bösen Geistern dazu geführt hatten, von vielen Kreisen gemieden zu werden. Die Fama schrieb
     ihm die Kenntnis und die Fertigkeit zu, sich der Manusfortis, der mächtigen Hand, zu bedienen, eines unglaublich starken Zaubers,
     der mit einer einzigen Handbewegung ausgeführt werden konnte. Die Fama hatte aus Axleben auch einen der Vordenker und führenden
     Ideologen der osteuropäischen Waldenser und Anhänger der Lehren des Joachim von Fiore gemacht, den man dazu mit der lombardischen
     Stregheria in Verbindung brachte. Bekannt waren auch Axlebens außerordentlich enge Beziehungen zur Bruder- und Schwesternschaft
     des Freien Geistes – es hatte die Magier vom »Erzengel« schon sehr verwundert, dass Axleben während seines Aufenthaltes in
     Prag ihre Gastfreundschaft beansprucht und nicht im Haus »Zur schwarzen Rose«, dem geheimen Prager Sitz der Bruderschaft,
     gewohnt hatte. Einige schrieben dies dem freundschaftlichen Verhältnis Axlebens zu Jan Bezdĕchovský zu. Andere vermuteten,
     dass der Nekromant sein eigenes Süppchen kochen wollte.
    Endlich hob Axleben den Kopf und blickte die Versammelten an.
    »Davon, dass Ihr mir Euren Samson für immer überlasst, kann wohl nicht die Rede sein, oder?«
    Reynevan war bereits aufgesprungen, eine heftige Erwiderung auf den Lippen, aber ein Ellenbogenstoß Scharleys gebot ihm Einhalt.
     Der Nekromant hatte dies nicht einmal bemerkt, es schien, als suche er die Antwort einzig und allein in Jan Bezdĕchovskyś
     Gesicht und Augen. Er las die Antwort und kräuselte die Lippen.
    »Na klar, ich verstehe schon. Schade. Ich hätte mich mit diesem |112| Herrn gerne noch unterhalten. Das ist ein gebildeter, belesener Mann   ... Redegewandt   ... Und witzig. Mehr als witzig.«
    »Bravo, Samson«, flüsterte Fraundinst.
    »Er hat ihn mit der ›Smaragdtafel‹ bewirtet«, gab Telesma ebenfalls flüsternd zurück.
    »Ihr würdet es nicht für möglich halten«, Axleben entschied sich dafür, das Getuschel geflissentlich zu übergehen, »was er
     mir alles gesagt hat, als er in Trance war. Daher behalte ich es für mich, wozu soll ich darüber reden, da Ihr es mir doch
     nicht glaubt. Ich sage nur so viel, dass er mir in Trance mehrere Ratschläge erteilt hat. Ich werde versuchen, mich an einige
     davon zu halten, wir werden sehen, was sich daraus ergibt.«
    »Ein Kretin, der belesen ist und viele Sprachen spricht«, fügte er nach einer Weile hinzu, in der er sich dem Genuss des Alicante-Weines
     hingegeben hatte, »er hat mich unter anderem mit einem ausführlichen Zitat aus der ›Göttlichen Komödie‹ erfreut. Mich ermahnt,
     ich möge den Verlockungen der Eitelkeit nicht nachgeben. Bedenken, dass alles eitel sei, keine Schuld ungesühnt bleibe. Denn
     Dante begegne im Paradies zwar Albertus Magnus, aber Michael Scotus, Guido Bonatti und Asdente seien, zur Strafe für ihre
     Nekromantie, in den achten Höllenkreis, Malebolge, verbannt worden. Dort stöhnten und weinten sie, vergössen reichlich Tränen,
     aber die Teufel hätten ihnen zu ihrer Qual die Hälse und Köpfe nach hinten verdreht, so dass ihnen die Tränen über die Ärsche
     rollten. Schöne Aussichten, fürwahr! Euer Samson hat mir dies, das muss ich noch hinzufügen, mit reinstem toskanischem Akzent
     deklamiert.«
    Stephan von Drahotuše und Scharley tauschten ein Lächeln und bedeutsame Blicke. Axleben bedachte sie mit einem vernichtenden
     Blick aus seinen mit dunklen Ringen versehenen Augen und machte Tvrdik ein Zeichen, ihm seinen Kelch wieder zu füllen.
    »Einen Moment«, bekannte er, »kam mir der Gedanke: Wenn das

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