Gottesstreiter

tardatis? Imperat vobis Rex regum!
Titeip, Azia, Hyn, Jen, Minosel, Achadan, Vay, Vaa, Ey, Haa, Eye, El, El, Va, Vaaaaa!«
    Mit dem Fortgang der Beschwörung wuchs die Stimme des Magiers an, erklomm immer höhere Lagen, war am Ende mehr ein Heulen,
     ein unmenschlicher, unnatürlicher Ton. Die Luft vibrierte spürbar, die Kerzen sprühten Funken und drohten zu erlöschen. Plötzlich
     roch es nach Tier, ein Gestank von Fäulnis und Löwenpisse wehte herüber. Das Dunkel, das die Kammer erfüllte, verdichtete
     sich, nahm Gestalt an und wurde zu einem Kumulus. Im Innern des Kumulus bewegte sich etwas, glitt heraus, wand sich, wie Aale
     in einem Sack, wie ein Bündel Schlangen. Reynevan sah, wie in dem Bündel plötzlich blutige Augen aufglommen, wie schreckliche,
     zähnebewehrte Kiefer aufeinander schlugen, wie monströse Physiognomien vorüberglitten. Sein Staunen verflüchtigte sich rasch
     und begann einer Panik zu weichen. Nicht bloß aus Angst vor jenem schrecklichen Ungeheuer. Auch bei dem Gedanken, dass Samson
     vielleicht doch etwas damit verband.
    Aber Jan Bezdĕchovský von Bezděchov war ein mächtiger Magier, darüber gab es keinen Zweifel, er hatte alles unter Kontrolle.
     Durch die Kraft seiner Beschwörungen rieselte der Putz des Gewölbes von den Wänden, die Flammen der Kerzen veränderten ihre
     Farbe, wurden tiefrot und dann blau. Ein gewaltiges Gebrüll und ein Knall waren zu hören, das makabre Schlangenbündel erstarrte
     zu einer anthrazitschwarzen Kugel, deren Oberfläche, so schien es, das Licht aufsog. Nach der nächsten Beschwörung verschwand
     die Kugel pfeifend. Der auf dem |107| Tisch liegende Samson streckte sich und begann zu erzittern. Dann wurde er schwächer und blieb bewegungslos liegen.
    »Bei Cratares«, rief Bezdĕchovský. »Bei Capitel! Ich rufe dich, Wesenheit! Sprich, wer bist du! Ehrlich und ohne Lügen sage,
     wer bist du!«
    Samsons Körper begann wieder heftig zu erzittern.
    »Verum sine mendacio, certum et verissimum«,
war seine etwas veränderte Stimme zu vernehmen.
»Quod est inferius, est sicut quod est superius, est sicut quod est inferius, ad perpetranda miracula rei unius.«
    Radim Tvrdik, der neben Reynevan saß, seufzte laut, Stephan von Drahotuše fluchte leise.
    »Das ist die ›Tabula smaragdina‹«, erklärte er, als er Reynevans fragenden Blick bemerkte. »Er spricht mit den Worten des
     Hermes Trismegistos. Als ob er   ... als ob er   ...«
    »Als ob er uns verspotten wollte«, vollendete Jost Dun den Satz.
    »Bei Alpharos!« Jan Bezdĕchovský hob die Arme. »Bei Bedrimubal!
Per signum Domini Tau!
Wer bist du? Rede! Wo ist die Wahrheit?«
    »Trenne die Erde vom Feuer«, antwortete fast unmittelbar darauf Samsons Stimme. »Mit großer Sorgfalt trenne das, was zart
     ist, von dem, was dicht ist. Und die Potenz wird sich von der Erde zum Himmel erheben, dann lässt sie sich wieder zur Erde
     nieder und nimmt die Macht aller höheren und niederen Wesen in sich auf. Dann wirst du alle Macht dieser Welt besitzen. Und
     alle Dunkelheit wird von dir weichen.«
    »Vasotas, Samarath, Katipa!«, schrie Bezdĕchovský. »Astroschio, Abedumabal, Asath! Sprich! Ich fordere dich auf zu sprechen!«
    Lange Zeit herrschte Stille, die nur vom Knistern der Kerzenflammen unterbrochen wurde.
    »Completum est   ...«,
war schließlich Samsons ruhige Stimme zu hören.
»Completum est quod dixi de Operatione Solis.«
     
    |108| Da halfen weder Beschwörungen im Namen Gottes noch die des Astroschio oder des Abedumabal. Es halfen weder die rituellen Gesten,
     die mit Hilfe des
athames
und
arctraves
über Samson ausgeführt wurden. Das Weihrauchschwenken half nicht, und auch nicht das Aspergillum aus Verbenen, Immergrün,
     Salbei, Pfefferminze und Rosmarin. Als wirkungslos erwiesen sich sowohl der ›Große‹ als auch der ›Kleine Schlüssel Salomons‹,
     das ›Enchiridion‹ und das ›Grand Grimoire‹ halfen ebenso wenig. Die ganze Magie hätte fast das ganze Haus in die Luft gejagt,
     aber Samson antwortete mit keiner Silbe mehr.
    Die Magier vom »Erzengel« taten so, als bekümmere sie dieses Fiasko nicht, sie sagten, das sei nichts, einen ersten Schritt
     habe man getan, und man werde schon weitersehen. Jan Bezdĕchovsky ´, dem es am schwersten fiel, gute Miene zum bösen Spiel
     zu machen, raffte sich lediglich dazu auf, ein paar ähnliche Fälle von Persönlichkeitstausch zu erwähnen; da ging es unter
     anderem um den
casus
Poppo von Osternas, des