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Gottesstreiter

Titel: Gottesstreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Ruhe, das verträgt keine
     Gewalt und keine Wirren. Aber vor allem braucht man dazu keine Leute mit Spezialaufträgen.
    Warum, der Magister legte das Kinn auf seine aufgestützten Hände, warum nur hat er nach Vogelsang gefragt?
     
    »Vogelsang? Sagt Euch dieser Name etwas?«
    »Natürlich«, Domarask gelang es, sein Erstaunen zu verbergen, er gestattete es sich nicht, auch nur die Augenbrauen zu heben,
     »natürlich sagt mir das etwas.«
    »Ich bin ganz Ohr.«
    »Das Kryptonym Vogelsang«, der Magister bemühte sich, sachlich zu bleiben und mit gleichgültig klingender Stimme zu antworten,
     »ist die Bezeichnung für eine Geheimgruppe mit speziellen Aufgaben, die Žižka unmittelbar unterstand. Die Gruppe hatte einen
     Koordinator und Verbindungsmann. Nachdem dieser unter merkwürdigen Umständen zu Tode kam, brach der Kontakt ab. Vogelsang
     verschwand ganz einfach. Ich habe damals Befehl erhalten, die Gruppe aufzuspüren. Ich habe mir alle Mühe gegeben, eine Untersuchung
     durchgeführt. Vergebens.«
    Er senkte den Blick nicht, obwohl die Blicke aus den eisengrauen Augen wie Nadeln stachen.
    »Ich kenne die Fakten.« In der Stimme des Besuchers schwang keine Gefühlsregung mit. »Worum ich Euch bitte, ist Eure persönliche
     Meinung zu dieser Sache. Und Eure Schlussfolgerungen daraus.«
    Die Schlussfolgerungen, dachte Domarask, sind schon längst gezogen worden. Filou hat sie gezogen, Bohuchval Neplach, der stets
     fieberhaft nach Schuldigen sucht. Denn Vogelsang, das war kein Geheimnis, hatte seine Gelder von Tábor erhalten. Enorme Summen,
     die zur Finanzierung der »Spezialaufgaben« dienten. Die Summen waren schlicht und einfach viel zu groß gewesen und die Leute,
     die man für Vogelsang angeworben |153| hatte, ganz eindeutig zu speziell. Und was kam dabei am Ende heraus: Das Geld war verschwunden und die Leute auch. Wie es
     schien, auf Nimmerwiedersehen.
    »Der Verbindungsmann und Koordinator von Vogelsang ist, wie ich schon sagte, ermordet worden. Die Umstände dieses gewaltsamen
     Todes waren mehr als rätselhaft. Sie waren bestürzend, und die Gerüchte haben daraus schlechterdings einen Albtraum gemacht.
     Die Angst vor dem Tod kann größer sein als die Loyalität und Ergebenheit für eine Sache. Und in großer Furcht und Angst um
     sein Leben vergisst man seine Loyalität.«
    »Vergisst man seine Loyalität«, wiederholte der Ankömmling langsam. »Habt Ihr die Eure vergessen?«
    »Meine ist unerschütterlich.«
    »Ich verstehe.«
     
    Ich hoffe, dass dem so ist, ich hoffe, dass er mich verstanden hat, dachte Domarask. Denn ich kenne die Gerüchte aus der Umgebung
     von Prokop und Filou, die sich um Verrat und Verschwörung ranken. Eine Verschwörung, das ist gut. Man bildet eine geheime
     »Spezialgruppe«, wirbt unter einem dunklen Stern geborene Ganoven dafür an, die beim ersten Anzeichen einer Gefahr stiften
     gehen und das ihnen anvertraute Geld mitnehmen. Und dann sucht man nach Verschwörern.
    Und sendet Mörder nach Schlesien.
    Die Wäscherinnen in der Mühlgasse stritten sich und bezichtigten sich gegenseitig, Huren zu sein. Die Fischer fluchten. Die
     Schüler rezitierten Ovid.
    Adnue conanti per laudes ire tuorum
    Deque meo pavidos excute corde metus.
    Ich möchte bloß wissen, dachte der Magister, während er das Fenster schloss, wo dieser Kerl jetzt wohl steckt?
     
    |154| »Kennst du dieses Frauenzimmer?«, fragte Parzival von Rachenau seinen Freund. »Und dieses Fräulein?«
    »Du hast doch gesehen, dass ich sie begrüßt habe«, brummte Heinrich Baruth, genannt Spatz, und lockerte seinen Gürtel. »Dass
     ich ihr die Hand geküsst habe. Denkst du, ich schlecke fremden Weibern die Hand ab? Das war meine Tante Roswitha, wie es scheint,
     auf Reisen. Die Rundliche ist ihre Dienerin. Und die mit der Haube ihre Zofe.«
    »Und das Fräulein?«
    »Die Tochter meiner Tante, also meine Cousine. Die Tante ist die Gemahlin meines Onkels. Aber nicht von Onkel Heinrich, der
     in Windisch-Marchwitz sitzt und den man Heinemann nennt, auch nicht von dem auf Breitenberg, dem Heinrich, den sie den Kranich
     nennen, sondern von dem dritten, Vaters jüngstem Bruder, der   ...«
    »Heinrich heißt?«, erriet Parzival von Rachenau, der seinen Blick nicht von dem blonden Mädchen wandte.
    »Du kennst ihn? Na, dann weißt du es ja. Der also ist mein Onkel, seine Gemahlin meine Tante und das Mädchen ihre Tochter.
     Sie heißt Ofka. Was glotzt du die denn so an, he?«
    Ofka von Baruth tat nur so, als

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