Gottesstreiter
tun?«
»Darauf komme ich gleich. Oh, da werdet Ihr Euch wundern, Pater. Ihr werdet Euch wundern ...«
»Bruder Kantor? Andreas Kantor?«
»Das bin ich!« Der Diakon der Heilig-Kreuz-Kirche machte einen Satz, als er plötzlich hinter seinem Rücken eine Stimme vernahm.
»Ich bin’s ...«
Der Mann, der so unvermittelt hinter ihm aufgetaucht war, trug einen schwarzen, mit Blütenmuster bestickten Mantel, ein graues,
mit einem Ausschnitt versehenes, gefüttertes Wams und ein Barett mit Federn, Kleidungsstücke, wie reiche Kaufherren und Patrizier
sie zu tragen pflegten. Aber an diesem Manne war etwas, das sich mit Kaufherren und adeligem Bürgertum nicht recht in Einklang
bringen ließ. Der Diakon wusste nicht genau, was es war. Vielleicht der zu einer seltsamen Grimasse verzogene Mund. Vielleicht
die Stimme. Vielleicht die Augen. Die waren seltsam. Sie hatten die Farbe von Eisen.
»Ich habe hier etwas für Euch.« Der Eisenäugige zog aus seiner Brusttasche ein Geldsäckel hervor. »Die Bezahlung. Dafür, dass
Ihr Reinmar von Bielau dem Heiligen Officium ausgeliefert habt. Was nach unseren Büchern hier in der Stadt Frankenstein
quintadecima die mensis Septembris Anno Domini 1425
erfolgt ist. Die Bezahlung hat etwas auf sich warten lassen, leider, aber so arbeitet nun mal unsere Buchhaltung.«
Der Diakon dachte nicht einmal daran zu fragen, was denn mit »unseren Büchern« und »unserer Buchhaltung« gemeint sei. Er wusste
es. Er nahm das Geldsäckel aus den Händen des Mannes entgegen. Es wog nicht so viel, wie er erwartet hatte. Er wusste aber
auch, dass es sinnlos war, sich um Prozente streiten zu wollen.
|160| »Ich ...«, er nahm all seinen Mut zusammen, »ich werde immer ... Das Heilige Officium kann immer auf mich zählen ... Wenn ich nur einen Verdächtigen bemerke ... Ich mache sofort Meldung ... Ich laufe sogleich zum Prior ... Also, gerade erst letzten Donnerstag, da hat sich bei den Tuchläden so einer herumgetrieben ...«
»Für jenen Bielau«, unterbrach ihn der Eisenäugige, »sind wir Euch besonders dankbar. Das war ein schlimmer Verbrecher.«
»Schon!«, ereiferte sich Kantor. »Ein Räuber! Ein Jünger der schwarzen Magie! Es heißt, er habe Leute umgebracht. Vergiftet,
sagen sie. Gegen den Herzog von Münsterberg hat er die Hand erhoben. In der Gegend um Oels hat er Ehefrauen durch Magie betört,
die Betörten vergewaltigt und anschließend mit Hilfe der Magie bewirkt, dass sie alles vergaßen. Und die Tochter des Herrn
Johann von Biberstein hat er entführt und ihr dann Gewalt angetan.«
»Gewalt?«, wiederholte der Eisenäugige und verzog den Mund. »Er hätte sie doch ganz einfach mit Hilfe der Magie betören, die
Betörte nach Belieben schänden und dann durch Magie bewirken können, dass sie alles vergaß ... Irgendwie stimmt hier die Logik nicht ganz, mein Freund, meinst du nicht?«
Der Diakon schwieg mit offenem Mund. Er wusste nicht so recht, was mit »Logik« gemeint war. Aber er befürchtete das Schlimmste.
»Aber wenn du so wachsam bist, wie du vorgibst«, fuhr der Eisenäugige fort, »hat da nicht jemand nach Bielau gefragt? Später,
nach seiner Verhaftung? Das hätte ein Komplize sein können, ein Hussit, ein Waldenser oder Katharer.«
»Ge ... ge ... fra ... fragt ... ha ... hat einer«, brachte Kantor, gegen seinen Willen stotternd, hervor. Er hatte Angst vor weiteren Fragen. Vor allem vor einer:
Warum er den nicht angezeigt habe, der nach Bielau gefragt habe. Aber er hatte ihn aus Angst nicht angezeigt. Aus Angst, die
der in ihm erweckt hatte, der nach ihm fragte. Jener Schwarzhaarige, Schwarzgekleidete |161| mit der Physiognomie eines Vogels. Und dem Blick eines Teufels.
»Wie sah er aus?«, fragte der Eisenäugige schmeichelnd. »Beschreibe ihn. Möglichst genau. Bitte!«
In der Pfarrkirche war keine Menschenseele, sehr zur Freude des Eisenäugigen. Auf das leere und nach Weihrauch riechende Presbyterium
blickte von der Mitte des Triptychons die Patronin der Kirche, die heilige Katharina von Alexandrien, hernieder, umgeben von
einer Schar pausbäckiger kleiner Engel, die aus den Wolken hervorlugten.
Der Eisenäugige beugte das Knie vor dem Altar und dem Lämpchen des Tabernakels, erhob sich und eilte mit schnellen Schritten
auf den im Schatten des Seitenschiffes liegenden Beichtstuhl zu. Bevor er es sich aber darin bequem machen konnte, klang aus
der Sakristei ein lautes
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