Gottesstreiter
Ritters und Magnaten, wird entführt
und vergewaltigt, eindeutig von Hussiten, aus Rache dafür, dass Biberstein ein guter Katholik ist. Und was tust du? Wieder
hat dir jemand die Arbeit abnehmen müssen. Ich, der Bischof von Breslau, der ich unzählige Glaubensfragen im Kopf haben muss,
muss für dich die Schuldigen verbrennen.«
»Unter denen, die heute verbrannt wurden, befanden sich Schuldige?« Der Inquisitor hob spöttisch die Augenbrauen. »Das habe
ich gar nicht bemerkt!«
»Etwas zu bemerken, zählt nicht gerade zu deinen Stärken, Greggele. Du bemerkst ganz entschieden zu viele Dinge nicht. Und
das gereicht Schlesien zum Schaden. Der Kirche. Und dem
Sanctum Officium,
dem du nach wie vor dienst.«
»Sinnlose und demonstrative Hinrichtungen gereichen dem Heiligen Officium zum Schaden. Unrecht gereicht ihm zum |183| Schaden. Dank solcher Dinge wird eine Horrorlegende in die Welt gesetzt, der Mythos von der grausamen Inquisition, Wasser
auf die Mühlen der häretischen Propaganda. Ich denke mit Schrecken daran, dass in hundert Jahren nur noch diese Horrorlegende
übrig bleiben wird, dunkle und Schrecken verbreitende Erzählungen von Kerkern, Foltern und Scheiterhaufen. Eine Legende, an
die alle glauben werden.«
»Du kennst weder die Menschen noch die historischen Prozesse«, erwiderte Konrad von Oels kalt lächelnd. »Und das löscht dich
als Inquisitor praktisch aus. Du solltest wissen, Greggele, es gibt immer zwei Pole. Wenn es eine Horrorlegende gibt, dann
existiert auch eine Gegenlegende. Eine Antilegende. Die noch viel schreckenerregender ist. Wenn ich hundert Leute verbrenne,
so werden in hundert Jahren die einen zu beweisen versuchen, ich hätte tausend Leute verbrannt. Und die anderen, ich hätte
keinen Einzigen verbrannt. In fünfhundert Jahren, falls die Welt dann überhaupt noch bestehen sollte, wird auf drei von jenen,
die erschüttert von Kerkern, Foltern und Scheiterhaufen sprechen, wenigstens ein Narr kommen, der sagt, es habe keine Kerker
gegeben, die Folter sei nicht angewandt worden, und die Inquisition sei voller Mitleid und gerecht wie ein gütiger Vater gewesen,
hätte nicht härter gestraft als durch eine väterliche Ermahnung, und alle Scheiterhaufen seien eine Ausgeburt häretischer
Propaganda. Tu also das Deine, Greggele, und überlass den Rest der Geschichte. Und Leuten, die etwas davon verstehen. Und
rede mir hier nicht von Gerechtigkeit. Nicht für die Gerechtigkeit wurde jene Institution geschaffen, für die du tätig bist.
Gerechtigkeit ist das
droit de seigneur. Ergo
, die Gerechtigkeit bin ich, denn ich bin der Seigneur, ich bin der Herr, ich bin der Piast, ich bin der Fürst. Ein Kirchenfürst,
jawohl, solch einer, der
habet omnia iura tamquam dux.
Du hingegen, Greggele, bist, verzeih, nur ein einfacher Diener.«
»Ein Diener Gottes.«
»Einen Dreck! Du bist ein Knecht der Inquisition, einer Institution, |184| welche den Gedanken im Keim ersticken, Denkende abschrecken, Freigeister strafen und binden, Schrecken und Terror säen und
bewirken soll, dass der Pöbel Angst davor hat zu denken. Genau zu diesem Zweck ist diese Institution ins Leben gerufen worden.
Schade, dass nur so wenige daran denken. Deshalb blüht das Ketzertum und breitet sich aus. Es blüht dank derer, die dir ähneln,
die enttäuscht in den Himmel starren, barfuß herumlaufen und betteln, in der Wahnvorstellung, sie würden Christus nacheifern.
Diejenigen, welche vom Glauben, von Demut, vom Dienst an Gott reden, lassen zu, dass sich andere auf sie setzen, dass die
Vögel auf sie herunterscheißen, und sie kriegen von Zeit zu Zeit Stigmata. Hast du manchmal Stigmata, Greggele?«
»Nein, Euer Gnaden. Die habe ich nicht.«
»Das ist immerhin etwas. Weiter: Das, was du um dich herum siehst, Pater Inquisitor, sind keine Spiele Gottes, das ist die
Welt, die regiert werden muss. Beherrscht. Zu herrschen aber ist das Privileg der Fürsten. Der Herren. Die Welt ist ein Dominium,
das sich den Herrschern unterordnen und unter tiefer Verbeugung das
droit de seigneur
, die Herrschaft der Herren, akzeptieren muss. Es ist doch wohl natürlich, dass die Herren zugleich auch Kirchenfürsten sind.
Und ihre Söhne ebenfalls. Ja, ja, Greggele. Wir regieren die Welt, und nach uns übernehmen unsere Söhne die Macht. Die Söhne
von Königen, Fürsten, Päpsten, Kardinälen und Bischöfen. Und die Söhne von Seidenhändlern, verzeih mir meine Aufrichtigkeit,
sind ihre
Weitere Kostenlose Bücher