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Gotteszahl

Gotteszahl

Titel: Gotteszahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Holt
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aussprechen und sagte Bojgil.
    Yngvar lächelte noch strahlender. »Schöner Name für eine fette feine Katze«, sagte er und nickte. »Jetzt musst du dich aber anziehen, Junge. Musst du nicht bald in den Kindergarten?«
    »Hast du gehört?«
    Astrid lächelte müde und fuhr dem Kleinen mit der Hand durch die Haare. »Die Polizei sagt, dass du dich anziehen sollst. Wir müssen immer tun, was die Polizei sagt, weißt du.«
    Der Junge fuhr herum und stürzte davon.
    »Geht es Ihnen gut?«, fragte Yngvar leise.
    Noch immer schien sie ihn nicht ins Haus bitten zu wollen. Aber sie schloss auch nicht die Tür. »Ach, Sie wissen schon.«
    Ihre Augen waren kurz vor dem Überlaufen. »Es ist schwer für Lukas«, sagte sie leise. »Dass Eva Karin nicht mehr lebt, ist das eine. Es ist fast genauso schlimm, Erik so zu sehen …«
    Sie hatte schmale Hände mit langen mageren Fingern. Sie hob die Arme und schob sich die Haare mit einer nervösen Bewegung hinter die Ohren.
    »Und dann hat Lukas es sich in den Kopf gesetzt, dass …«
    Auf der Straße hupte ein Auto. Yngvar fuhr herum und sah einen Mann aus der Auffahrt des Nachbarhauses kommen und Astrid zuwinken. Die Rückbank des Autos war voller Kinder. Astrid hob die Hand zur Andeutung einer Antwort.
    »Was hat Lukas sich in den Kopf gesetzt?«
    »Nein. Ich weiß nicht so recht.«
    Die Katze Borghild kam aus dem Haus und schmiegte sich an die nackten Waden der Frau.
    »Ich muss wirklich weitermachen«, sage Astrid und trat einen Schritt zurück. »Ich muss die Kinder für Kindergarten und Schule fertig machen. Tut mir leid, dass Sie ganz umsonst hier herausgekommen sind.«
    »Das ist doch nicht Ihre Schuld.«
    Yngvar stieg rückwärts die Treppe hinunter. »Entschuldigen Sie die Störung«, sagte er. »Ich weiß genau, wie solche Morgen sind.«
    Ohne noch etwas zu sagen, schloss die Frau die Tür. Yngvar ging zum Auto, dessen Schlösser sich automatisch entriegelten. Er stieg ein und mühte sich mit der idiotischen Chipkarte ab, die die Renault-Fabrik für sinnvoller hielt als einen Zündschlüssel. Er schob die Karte in den Schlitz und drückte auf den Startknopf. Nichts passierte.
    Er riss die Karte heraus und schlug wütend damit auf das Armaturenbrett, dann machte er noch einen Versuch. Der Motor sprang an.
    Als er fünf Minuten gefahren war, ohne so recht zu wissen, wohin, beschloss er, zum Nubbebakken zu fahren. Lukas in der Universität aufzusuchen würde zu dramatisch wirken. Da Astrid ja gesagt hatte, Eriks Zustand verschlechtere sich dauernd, war es möglich, dass Lukas bei seinem Vater blieb, statt zur Arbeit zu gehen.
    Er fuhr schneller.
    Es regnete jetzt, und hinter der schweren Wolkendecke hatte die Sonne gerade begonnen, die Welt grau zu färben.
    Lukas wurde davon wach, dass die Dachluke nicht mehr schwarz war, sondern rußgrau. Er fühlte seinen rechten Arm nicht mehr. Vorsichtig zog er ihn hervor. Er hatte sich im Sessel umgedreht und den Arm zwischen sich und der Sessellehne eingezwängt. Als sein Kreislauf wieder in Gang kam, hatte er das Gefühl, die Hand in ein Wespennest gesteckt zu haben. Es stach und brannte, als er aufstand und den Arm so energisch schüttelte, dass seine Schulter protestierte.
    Es war schon zehn nach neun, am Dienstag, dem 13. Januar.
    Er hätte um neun an einer Besprechung im Institut teilnehmen müssen. Als er auf das Display seines Mobiltelefons schaute, registrierte er fünf entgangene Anrufe. Drei von einem Kollegen, der zur selben Besprechung musste, und zwei von Astrid.
    Wenn sie es nur nicht auf dem Festanschluss meines Vaters versucht hat, dachte er verzweifelt. Vermutlich nicht, sie konnte es im Moment nicht ertragen, mit ihrem Schwiegervater zu reden.
    Rasch machte er einige Dehnübungen, um die Stiche zu vertreiben.
    Von unten war nichts zu hören. Vielleicht schlief sein Vater noch.
    Das Bild seiner Schwester steckte unter dem Hemd. Er zog den Gürtel ein Loch straffer, um es festzuhalten, dann stieg er auf den Hocker und öffnete die Dachluke.
    Der Januarmorgen war trostlos. Es regnete.
    Alles war nass. Die Farben hielten Winterschlaf. Die Eiche zeichnete sich als schwarzes Relief vor dem grauen Hintergrund ab. Lukas zwängte sich durch die enge Öffnung. Oben auf dem Dach blieb er sitzen und rang nach Atem. Dann suchte er Halt auf den Sprossen der Feuerleiter und hatte viel mehr Angst als früher. Als er die Dachrinne fast erreicht hatte, hörte er ein Auto näher kommen. Er erstarrte.
    Der Motor verstummte und eine

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