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Gotteszahl

Gotteszahl

Titel: Gotteszahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Holt
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Rücken.
    Er hätte mit Rolf reden müssen, sowie das Problem aufgetaucht war. Jetzt, so viele Monate und Sorgen später, wurde ihm klar, dass er nicht einmal an die Möglichkeit gedacht hatte, das alles mit seinem Mann zu teilen. Das schockierte ihn, Rolf war einer der klügsten Menschen, die er kannte. Rolf hätte einen Ausweg gefunden. Rolf hätte die Lage ruhig analysiert und sich dann an eine Lösung herandiskutiert. Rolf war von lichtem Gemüt, optimistisch und mit einem unerschütterlichen Glauben daran, dass alles, noch die finsterste Tragödie, etwas Gutes hatte. Wenn man sich nur die Zeit nahm, dieses Gute zu suchen.
    Natürlich hätte er mit Rolf sprechen müssen.
    Das hätte er als Allererstes tun müssen.
    Zusammen hätten sie alles schaffen können.
    Noch immer lag Rolf ganz still da. Marcus starrte den Wecker an. Er blinzelte, als die Ziffern von 03.07 auf 03.08 umsprangen. Plötzlich schnappte er nach Luft und suchte nach Worten, die die schmerzhafte Geschichte tragen könnten.
    Ehe er sie gefunden hatte, drehte Rolf sich um.
    Sie kehrten einander den Rücken zu.
    Nur Minuten später war Rolfs Atem wieder gleichmäßig und tief.
    Plötzlich begriff Marcus, warum es zu spät war, Rolf etwas zu sagen: Er würde ihm niemals verzeihen.
    Niemals.
    Wenn er sich seinem Liebsten anvertraute, wäre das Leben, wie Marcus es kannte und liebte, zu Ende. Er würde nicht nur Rolf verlieren, er würde auch Cusi verlieren. Die Furcht durchjagte ihn, und er blieb schlaflos liegen, bis die Ziffern endlich von 06.59 auf 07.00 umsprangen.
    Als Inger Johanne aus dem Schlaf hochfuhr, war sie in Schweiß gebadet. Die Bettwäsche klebte ihr am Leib. Sie versuchte, aus dieser feuchten Umklammerung loszukommen, wickelte aber ihre Füße in die Öffnung des Bettbezugs. Sie fühlte sich gefangen und strampelte verzweifelt. Der Bettbezug zerriss. Endlich konnte sie sich befreien. Sie versuchte sich zu erinnern, was das für ein Albtraum gewesen sein konnte.
    Ihr Gehirn war einfach leer.
    Ihre Hände zitterten, als sie nach dem Glas Wasser auf dem Nachttisch griff und es leerte. Als sie das Glas zurückstellen wollte, rollte es zu Boden. Sie kniff verärgert die Lider zusammen, dann fiel ihr ein, dass Kristiane bei Isak war. Ragnhild erwachte nie um diese Zeit.
    Sie atmete noch immer schwer, als sie sich auf die Kissen zurücksinken ließ und versuchte, sich zu entspannen.
    Sie hatte am Vorabend über zwanzig Minuten mit Yngvar telefoniert, hatte aber ihr Gespräch mit Kristiane nicht erwähnt. Sie hatte auch Isak nichts gesagt, als er nach der Schulzeit ziemlich gereizt bei ihr aufgetaucht war. Sie hatte vergessen, ihm mitzuteilen, dass sie allen Plänen und Abmachungen zum Trotz Kristiane geholt hatte. Als er mit düsterem Blick die Treppe hochgekommen war, hatte sie nur gesagt, sie habe sich freinehmen können und die seltene Möglichkeit genutzt, mit Kristiane allein zu sein.
    Dass sie vergessen hatte, ihm Bescheid zu sagen, tue ihr natürlich leid.
    Wie üblich nahm Isak alles hin, und als er mit seiner Tochter nach Hause fuhr, war er längst besänftigt.
    Kristiane hatte in Verbindung mit dem Mord an Marianne Kleive irgendetwas beobachtet. Das stand immerhin fest. Auf jeden Fall musste sie die Tote am Mordabend gesehen haben. Trotzdem hatte Inger Johanne nicht gewusst, was sie Isak und Yngvar berichten sollte. Ihre Tochter hatte nicht direkt gesagt, was geschehen war. Entscheidend waren Kristianes Körpersprache und ihre Miene gewesen, ihre Wortwahl und ihr Tonfall.
    In solchen Momenten lachte Isak über sie, und Yngvar versuchte zu verbergen, wie sehr sie ihm auf die Nerven ging.
    Wenn einer oder beide ihr wider Erwarten glaubten, würde Yngvar jedenfalls darauf bestehen, sofort die Polizei zu verständigen. Isak vermutlich ebenfalls. Er war in vieler Hinsicht ein guter Vater, hatte aber nie begriffen, wie unendlich verletzlich Kristiane war.
    Wenn die Kleine etwas nicht ertragen konnte, dann, dass fremde Menschen in ihre Sphäre eindrangen und sie nach etwas ausfragten, was sie auf ihre Weise offenbar eingekapselt hatte. Einen Mord aufzuklären war natürlich wichtig, aber Kristiane war wichtiger.
    Inger Johanne musste allein eine Lösung finden.
    Ihr Puls hatte sich jetzt beruhigt. Sie fror und beschloss, das Bett neu zu beziehen. Sie holte frische Bettwäsche, und mit geübten Händen stellte sie in wenigen Minuten ein kühles, frisches Bett her. Yngvars Seite hatte sie nicht neu bezogen. Es sah seltsam aus, mit den

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