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Gotteszahl

Gotteszahl

Titel: Gotteszahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Holt
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es könnte die Ähnlichkeit mit Lukas erklären. Ab und zu ist es seltsam, welche Umwege unsere Gene einschlagen, und …«
    Astrid starrte ihn erschrocken an. »Schwester? Eva Karin hat zwei Geschwister, beide sind jünger als sie. Einar Olav, der ist wohl Mitte fünfzig, und Anne Turid, die letztes Jahr fünfzig geworden ist. Nein, vorletztes Jahr. Und sie ist es nicht.«
    Sie hörten von der Haustür her Lärm. Helle Kinderstimmen. Jemand lachte, und die Tür fiel ins Schloss.
    Astrid schob eilig das Bild in den Umschlag, aus dem sie es gezogen hatte. Sie zögerte nur eine Sekunde, dann reichte sie ihn Yngvar.
    »Still, Kinder.«
    Sie ließ seinen Blick nicht los.
    »Papa und William schlafen. Seid still, ja?«
    Yngvar erhob sich. Er ging auf die Tür zu und wurde von den beiden Kindern fast umgerannt. Sie schauten ihn neugierig an.
    »Wer bist du?«, fragte die Jüngere.
    »Ich bin Yngvar. Und du bist Andrea, der neue Picasso.«
    Die Kleine lachte. »Nein, ich setze Ohren und Füße an die richtige Stelle.«
    »Das ist gut so«, sagte Yngvar und fuhr ihr durch die Haare. »Es ist immer gut, so was an der richtigen Stelle zu haben.«
    »Danke, dass Sie gekommen sind«, sagte Astrid.
    Sie lehnte sich an den Türrahmen und verschränkte die Arme auf der Brust. Auf irgendeine Weise wirkte sie erleichtert. Sie lächelte nicht mehr ganz so verkrampft wie bei seinem Eintreffen, und sie lachte ein wenig, als der Achtjährige ihr ein Abwaschtattoo vom Emblem des Fußballvereins Brann auf seinem Unterarm zeigte.
    »Ich muss mich bedanken«, sagte er, hielt den Umschlag zu einem Abschiedsgruß hoch und ging hinaus auf die Steintreppe.
    Die Tür fiel hinter ihm ins Schloss, und er lief zum Auto. Ehe er den Motor anlassen konnte, kam Astrid gelaufen. Er kurbelte das Fenster herunter und schaute zu ihr auf.
    »Ich dachte, Sie hätten die gern«, sagte sie und steckte ihm eine Plastiktüte mit den restlichen Brötchen zu. »Ganz frisch sind sie am besten, und sie haben Ihnen ja offenbar geschmeckt.«
    Ehe er Danke sagen konnte, lief sie schon wieder zurück. Er blieb einen Moment sitzen, dann öffnete er die Tüte und nahm noch eins der köstlichen Brötchen. Als er hineinbeißen wollte, versetzte sein schlechtes Gewissen ihm einen Stich.
    Aber ganz frisches Hefegebäck ist eben etwas ganz Besonderes.
    Und er hatte noch nie so wunderbare Erdbeermarmelade gegessen.

Schande
    Marcus wollte an das Gute im Leben denken. An alles, was schön und besonders war, und was bisher die Mühe im Dasein gelohnt hatte. Was es früher gegeben hatte, ehe ihm auf brutale Weise klargemacht worden war, dass sein Leben auf einem Irrtum aufbaute. Einem Missverständnis.
    Einem Diebstahl.
    Es war Diebstahl, das Ganze, und es überschattete alles, woran er denken wollte, um überhaupt einschlafen zu können.
    Rolf schnarchte leise.
    Marcus setzte sich im Bett langsam auf. Er legte zwischen den Bewegungen kleine Pausen ein. Am Ende stand er aufrecht und ging vorsichtig zum Badezimmer. Die Tür zur Diele knarrte, deshalb wollte er durch das Luxusbad gehen, das gleich neben dem Schlafzimmer lag. Er konnte die Tür hinter sich schließen, ohne Rolf zu wecken.
    Gedämpftes Licht brannte noch immer. Cusi hatte sein eigenes Badezimmer, nahm aber lieber das seiner Eltern, wenn er nachts aufstehen musste.
    Noch in dem gedämpften Lampenlicht sah Marcus entsetzlich aus. Er fuhr zusammen, als er sein Spiegelbild sah. Die Ringe unter den Augen wurden zu dicken Tränensäcken, und die Haut war so bleich, dass sie fast bläulich wirkte. Er wurde immer schwerer und hatte an keinem der fünfzehn Tage, die bisher vom Jahr 2009 vergangen waren, seinen Neujahrsvorsatz eingehalten. Er roch schlecht, Nachtschweiß, ungewaschener Schlafanzug und Angst. Er wandte sich von dem gespenstischen Spiegelbild ab und ging in die Diele.
    Cusis Tür war angelehnt. Marcus konnte sich hier draußen sorgloser bewegen. Um diese Zeit könnte das Haus abgerissen werden, der Junge würde nicht aufwachen. In der Türöffnung blieb Marcus stehen und musterte das schlafende Kind.
    Das Zimmer lag da im blauen und kühlen Licht der Lampe über dem Bild, einem Raumschiff auf dem Weg durch die Galaxis. Spielzeug und Bücher standen dicht an dicht in den Regalen an der einen Wand, und am Computer funkelten die Sterne eines Bildschirmschoners, den der Junge selbst heruntergeladen hatte. Der verschlissene Teddy, den er noch immer im Bett haben musste, um einschlafen zu können, lag hilflos auf dem

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