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Gotteszahl

Gotteszahl

Titel: Gotteszahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Holt
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rannte los.
    Sie jagte durch die Wohnung, aus dem Wohnzimmer, durch den Gang, hinaus in den Anbau, der zum Spielzimmer der Kinder geworden war, sie rannte, sprang die Treppe hinunter und stürzte auf Strümpfen hinaus in die Kälte. »Kristiane«, rief sie und versuchte, ihre Stimme zu einem alltäglichen Tonfall zu zwingen. »Ragnhild! Seid ihr da?«
    Als sie um die Hausecke bog, sah sie die beiden.
    Ragnhild hockte wieder vor dem Schneemännlein. Kristiane hatte einen Vogel oder ein Flugzeug entdeckt. Jedenfalls starrte sie hinauf zum Himmel, und ohne auf die Mutter zu achten, streckte sie die Zunge heraus, um einige der Schneeflocken zu fangen, die jetzt herabrieselten.
    Der Mann war nicht zu sehen.
    »Mama«, sagte Ragnhild streng. »Draußen darf man nicht auf Socken rumlaufen.«
    Inger Johanne starrte ihre Füße an. »Stimmt«, sagte sie und lächelte. »Habt ihr schon mal so eine Dusselmama gesehen?«
    Kristiane fing noch mehr Schneeflocken.
    »Wer war der Mann?«, fragte Inger Johanne freundlich.
    »Was für ein Mann?«
    Ragnhild leckte sich den Rotz ab, der aus ihre Nase lief. »Keine Ahnung«, sagte sie. »Guck mal, unser schöner Schneemann. Den haben wir ganz ohne Schnee gemacht!«
    »Der ist super. Jetzt müsst ihr aber ins Haus kommen. Wir haben doch ein Weihnachtsfest. Was wollte er wissen?«
    »Dam-di-rum-ram«, sagte Kristiane und lächelte gen Himmel.
    »Nichts«, sagte Ragnhild. »Müssen wir zum Weihnachtsfest? Kommt Papa mit?«
    »Nein, der ist in Bergen. Aber der Mann muss doch etwas gesagt haben. Ich habe ja gesehen, wie er …«
    »Der wollte nur wissen, ob Weihnachten schön war«, sagte Ragnhild. »Hast du nicht schrecklich kalte Füße, Mama?«
    »Doch. Kommt jetzt, alle beide. Kommt, hab ich gesagt.«
    Erstaunlicherweise setzte Kristiane sich in Bewegung.
    Inger Johanne nahm Ragnhild an der Hand und ging hinterher. »Was hast du ihm geantwortet?«
    »Dass wir das beste Superweihnachten der Welt mit Sahne hatten.«
    »Wollte er … Hat er versucht, dich zu sich zu locken?«
    Sie erreichten den Kiesweg und gingen am Haus entlang zur Treppe. Kristiane sprach mit sich selbst, wirkte aber munter und zufrieden.
    »Jaaa …«
    Ragnhild zögerte mit der Antwort. »Aber das haben wir gelernt, Mama, dass wir nie zu Fremden gehen dürfen. Oder mit ihnen gehen und so.«
    »Ganz richtig. Gut, mein Kind.«
    Inger Johanne hatte abgestorbene Zehen. Sie schnitt eine Grimasse, als sie den Kiesweg verließ und den Fuß auf die eiskalte Steintreppe setzte.
    »Er wollte wissen, ob ich ein schönes Geschenk gekriegt habe«, sagte Kristiane plötzlich. »Nur ich. Nicht Ragnhild.«
    »Ach? Woher weißt du, dass er nur dich gefragt hat?«
    »Weil er das gesagt hat. Er hat gesagt …«
    Alle drei blieben stehen. Kristiane hatte den seltsamen Blick, der sich in ihr Inneres zu richten schien, als durchsuche sie ein Archiv in ihrem Kopf.
    »Hier steht ihr also, Mädels? Hattet ihr feine Weihnachten? Und du, Kristiane, hast du ein schönes Geschenk bekommen?«
    Die Stimme war tonlos, und es wurde ganz still.
    »Genau«, sagte Inger Johanne endlich und rang sich ein Lächeln ab. »Das war aber nett von ihm. Jetzt müssen wir uns ganz schnell umziehen. Wir fahren zu Omi und Opi, Kristiane. Papa holt uns gleich ab.«
    »Och …«
    Ragnhild ließ sich auf die Treppe fallen und fing an zu quengeln: »Warum darf Kristianes Papa dabei sein und meiner nicht?«
    »Papa muss arbeiten, das hab ich doch gesagt. Und du hast es immer so nett bei Kristianes anderen Großeltern.«
    »Will nicht! Will nicht!«
    Das Kind wich zurück und fing an, mit Kopf und Armen voran die Treppe hinunterzurutschen, wie um zu schwimmen. Inger Johanne packte ihren Arm und zog sie hoch, sie packte ein wenig fester zu, als sie gewollt hatte. Ragnhild schrie auf.
    Das Einzige, was Inger Johanne denken konnte, war, dass Kristiane das sicher falsch in Erinnerung hatte.
    »Ich will meinen eigenen Papa«, schrie Ragnhild und versuchte, sich aus dem Griff ihrer Mutter zu befreien. »Papa! Meinen Papa! Nicht Kristianes blöden Papa!«
    »So reden wir nicht in unserer Familie«, fauchte Inger Johanne. »Ist das klar?«
    Ragnhild hörte abrupt mit Weinen auf, total überrascht von der Wut ihrer Mutter. Sie lachte los.
    Aber Inger Johanne hatte nur einen Gedanken:
    Kristianes Erinnerung trog sie nie, niemals.
    »Wir können uns alle irren. Das ist kein Grund, so wütend zu werden.«
    Marcus Koll jr. lächelte seinen Sohn an, der wütend die

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