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Gotteszahl

Gotteszahl

Titel: Gotteszahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Holt
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aufgemalten Zehennägeln zeigten tot in den Raum hinein. Alles war umwickelt mit einem dünnen, funkelnden Stacheldraht aus Silber. Echtem Silber natürlich, allein der Stacheldraht hatte ein kleines Vermögen gekostet. Trat man näher, so konnte man sehen, dass die nackten, leblosen Puppen kostbare Uhren am Handgelenk trugen und mit Halsketten geschmückt waren. Die Schaufensterpuppen waren geschlechtslos gewesen, als er sie gekauft hatte. Nur die breiten Schultern und die fehlenden Brüste unterschieden die Männer von den Frauen, dazu kam eine Erhebung am Unterleib. Niclas Winter war ihnen zu Hilfe gekommen. Er hatte über das Internet so viele Dildos gekauft, dass er einen beträchtlichen Mengenrabatt erhalten hatte, und diese Dinger hatte er den kastrierten Puppen aufmontiert. Die Dildos wurden als »natürlich« angepriesen, aber Niclas Winter wusste, dass das nicht stimmte. Sie waren riesig. Er besprühte sie mit fluoreszierenden Farben und machte sie dadurch noch auffälliger.
    »Perfekt«, murmelte er und leerte sein Glas.
    Er trat einige Schritte zurück und schüttelte den Kopf.
    Niclas Winters letzte Ausstellung war ein überwältigender Erfolg gewesen. Drei Freiluftinstallationen hatten vier Wochen lang am R å dhuskai gestanden. Die Leute waren begeistert. Die Kritiker ebenfalls. Er hatte alles verkauft. Zum ersten Mal in seinem Leben war er fast schuldenfrei. Das Beste aber war, dass StatoilHydro, die bereits Vanity Fair, reconstruction gekauft hatten, aufgrund einer Skizze I was thinking erwerben wollten. Für den Preis von zwei Millionen. Eine halbe Million hatte er als Vorschuss erhalten, aber dieses Geld und noch viel mehr war bereits vom Material verschlungen worden.
    Dann überlegten die Ärsche es sich anders.
    Er kannte sich nicht gerade gut mit Verträgen aus, und als er wütend zu einem Anwalt ging, mit dem Dokument, das er im Oktober erhalten hatte, war ihm klar geworden, dass er einen Agenten brauchte. StatoilHydro war nämlich im Recht. Der Vertrag enthielt eine Rücktrittsklausel. Niclas Winter hatte das Schriftstück damals kaum gelesen, ehe er es, benommen vor Glück, unterschrieben hatte.
    Beim derzeitigen finanziellen Klima, schrieben sie und bedauerten alles sehr. Unglücklicher Signaleffekt Angestellten und Eignern gegenüber, faselten sie weiter. Sparmaßnahmen. Eine gewisse Zurückhaltung bei nicht zwingend nötigen Ausgaben.
    Bla, bla, bla. Zum Teufel.
    Der verdammte Brief war vier Tage vor dem Tod seiner Mutter eingetroffen.
    Als er in den letzten Stunden bei ihr saß, eher um den Schein zu wahren, als weil er wirklich getrauert hätte, kam die Wende. Niclas Winter verließ das Zimmer seiner toten Mutter im Hospiz Lovisenberg mit einem Lächeln auf den Lippen, neuer Hoffnung und einem Rätsel, das er lösen musste.
    Und das war ihm gelungen.
    Es hatte natürlich seine Zeit gedauert. Die Mutter hatte sich so vage ausgedrückt, dass er viele Wochen gebraucht hatte, um das richtige Anwalts-Büro zu finden. Er hatte sich zu sehr angestrengt und unterwegs einige Patzer gebaut. Aber jetzt war es geschafft. Die Besprechung war für den ersten Arbeitstag nach Neujahr anberaumt, und der Mann, den er dann treffen würde, sollte Niclas Winter zu einem reichen Mann machen.
    Er goss sich Champagner nach.
    Der leichte Rausch tat ihm gut, und sein Werk war fertig. Wenn StatoilHydro nicht wusste, was sich gehörte, dann würde es andere Käufer geben. Mit dem Geld, das ihm bald gehören würde, könnte er das Angebot einer Ausstellung in New York im Herbst annehmen. Er könnte mit allen sinnlosen Zusatzarbeiten aufhören, die ihm Kraft und Kreativität raubten. Auch mit den Drogen sollte endlich Schluss sein. Und mit dem Trinken. Ohne Sorgen würde er rund um die Uhr arbeiten.
    Niclas Winter war fast glücklich.
    Er glaubte, ein Geräusch zu hören. Ein ganz leichtes Klicken.
    Er drehte sich halb um. Die Tür war abgeschlossen, niemand war dort. Er trank weiter. Vielleicht eine Katze auf dem Dach. Er schaute auf.
    Jemand packte ihn. Er begriff nichts, als Hände sich um sein Gesicht legten und seinen Mund aufzwangen. Als die Spritze sich in die linke Seite seiner Wange bohrte, war er eher überrascht als verängstigt. Die Nadelspitze streifte seine Zunge, und der Schmerz, als sie die empfindliche Schleimhaut traf und geleert wurde, war so heftig, dass er endlich aufschrie. Ein Mann stand noch immer hinter ihm und hielt seine Hände fest. Blitzschnell strahlte sein Mund jetzt Hitze aus, und er

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