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Gotteszahl

Gotteszahl

Titel: Gotteszahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Holt
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Reise von Sydney hierher waren über dreißig Stunden anberaumt worden, mit Zwischenlandungen in Tokio und Kopenhagen. Natürlich konnte etwas dazwischengekommen sein. Irgendwo. In Tokio. In Sydney. Oder auch in Kopenhagen.
    Marianne hätte Bescheid gesagt.
    Eine winzig kleine Angst verbiss sich in ihrem Nacken. Plötzlich fasste sie einen Entschluss und lief zur Schleuse, die zum Zoll führte. Gegen das Verbot zu verstoßen, hier weiterzugehen, war sicher nicht ratsam. Die Sicherheitsmaßnahmen, die die Fluggesellschaften seit dem 11. September 2001 einhielten, konnten ja sogar den Zöllnern das Recht auf den finalen Tötungsschuss zubilligen.
    »Hallo«, sagte sie halblaut und schaute um die Wand herum. »Ist hier jemand?«
    Niemand.
    »Hallo«, sagte sie noch einmal, diesmal lauter.
    Ein Mann in Zolluniform kam von der gegenüberliegenden Wand, fünf Meter weiter.
    »Ja? Sie dürfen hier nicht weitergehen.«
    »Das weiß ich doch! Ich wollte nur wissen … Ich erwarte jemanden mit der Maschine aus Kopenhagen. Die vor einer Stunde gelandet ist. SK 1442. Aber sie ist nicht gekommen. Könnten Sie … könnten Sie freundlicherweise nachsehen, ob da hinten noch irgendwelche Fluggäste sind?«
    Für einen Moment schien er sich weigern zu wollen. Er war hier ja schließlich nicht als Laufbursche angestellt. Dann überlegte er es sich aus irgendeinem Grund anders, zuckte mit den Schultern und lächelte. »Ich glaub, es ist ganz leer da hinten. Moment mal.«
    Er verschwand.
    Die Akkus in Mariannes oder in ihrem eigenen Mobiltelefon konnten leer sein.
    Natürlich, dachte sie und atmete leichter. Die Götter mochten wissen, wie schwer es heutzutage war, einen Münzfernsprecher zu finden. Und wenn man einen fand, hatte man kein Kleingeld. Die meisten nahmen zwar auch Karten, aber wenn sie sich die Sache genauer überlegte, dann musste es Mariannes Telefon sein, das hier die Probleme machte.
    »Leer. Stumm wie im Grab.«
    Der Zollbeamte steckte die Hände in die Hosentaschen. »Wir erwarten heute Abend noch zwei oder drei Maschinen, aber gerade ist niemand da. Das Band mit dem Gepäck aus Kopenhagen ist auch leer.«
    Er zog die Hände aus den Taschen und hob sie zu einer Geste des Bedauerns.
    »Danke«, sagte sie. »Tausend Dank für die Hilfe.«
    Sie zog den Kopf zurück und ging auf die Rolltreppe zu, die zur Abflughalle führte. Holte ihr Mobiltelefon hervor. Keine Mitteilung. Kein entgangener Anruf. Noch einmal versuchte sie, Marianne anzurufen, wurde aber wieder auf den Anrufbeantworter umgeschaltet. Ihre Beine fingen wie von selbst an zu laufen. Die Rolltreppe bewegte sich zu langsam, deshalb lief sie auch dort. Als sie oben angekommen war, erschrak sie.
    Niemals hatte sie die Ankunftshalle so leer und still gesehen.
    Nur hier und da saß gelangweiltes Bodenpersonal hinter einem Schalter. Zwei lasen Zeitung. Ganz hinten konnte sie das Dröhnen einer Reinigungsmaschine hören, die langsam über den Boden fuhr, gelenkt von einem dunkelhäutigen Mann. Nur eine Sicherheitskontrolle war noch geöffnet, aber sie sah dort keinen Menschen. Es war wie eine Szene aus einem Weltuntergangsfilm. Gardermoen müsste von Menschen nur so wimmeln, müsste nervig und unfreundlich sein, überfüllt von ungeduldigen Reisenden und Angestellten, die nur das taten, was unbedingt nötig war.
    Das Herz schlug ihr bis zum Hals, und sie ging zielstrebig auf den SAS-Schalter am anderen Ende der Halle zu. Auch hier war kein Mensch. Sie schluckte mehrmals und wischte sich mit dem Ärmel kalten Schweiß aus dem Gesicht.
    Eine Frau mittleren Alters tauchte aus einem Raum hinter dem Schalter auf. »Kann ich etwas für Sie tun?«
    »Ja, ich wollte jemanden abholen …«
    Die Frau nahm am Schalter Platz. Sie loggte sich in einen Computer ein, ohne aufzuschauen.
    »Ich wollte jemanden abholen, der mit dem Flugzeug aus Kopenhagen kommt.«
    »Und er ist nicht gekommen?«
    »Sie. Meine Lebenspartnerin. Marianne Kleive.«
    Die Frau schaute verwirrt auf, dann legte sie ihr Gesicht in korrekte Falten und konzentrierte sich abermals auf die Tastatur. »Aha«, sagte sie. »So ist das.«
    »Aber sie ist nicht aufgetaucht. Sie war in Australien und musste in Tokio und Kopenhagen zwischenlanden. Ich möchte wissen, ob sie … Könnten Sie nachsehen, ob sie überhaupt in diesem Flugzeug war?«
    »Nein, leider nicht. Ich bin nicht befugt, solche Auskünfte zu erteilen.«
    Vielleicht war es die bedrohliche Leere in der riesigen Halle. Vielleicht waren es auch die

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