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Gotteszahl

Gotteszahl

Titel: Gotteszahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Holt
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    Der Polizist seufzte resigniert. Er blätterte in seinen Unterlagen, ehe er einen Blick auf die Uhr warf. Das kleine Vernehmungszimmer war inzwischen unerträglich heiß. An der Decke rauschte die Klimaanlage, aber offenbar klemmte der Thermostat. Synnøve Hessel zog ihren Pullover aus und zupfte am T-Shirt, um sich abzukühlen. Zwischen ihren Brüsten zeichnete sich ein ovaler Fleck ab, und sie merkte, dass der Schweiß an ihren Armen hinablief. Aber sie beschloss, nicht darauf zu achten. Der Polizist stank noch ärger als sie.
    Auf der Wache am Flughafen waren sie immerhin höflich gewesen. Wohlwollend fast, auch wenn sie nicht mehr tun konnten, als sie an die zuständige Stelle zu verweisen. Sie hatten das natürlich bedauert und ihr Kaffee angeboten. Eine ältere Frau in Uniform hatte versucht, sie damit zu beruhigen, dass dauernd Leute verschwanden. Und früher oder später tauchten sie dann wieder auf.
    Später war zu spät für Synnøve Hessel.
    Es war schon später Vormittag, und die Heimfahrt nach Sandefjord mitten in der Nacht war eine Qual gewesen.
    »Fassen wir also zusammen«, schlug der Polizist vor, ehe er den Rest aus einer Colaflasche trank.
    Synnøve Hessel gab keine Antwort. Sie hatten alles schon zweimal zusammengefasst, ohne dass der Mann zu einer realistischeren Auffassung der Lage gekommen wäre.
    »Sie sind doch trotz allem  … «
    Er rückte die Brille gerade und las. »Dokumentarfilmerin.«
    »Produzentin«, korrigierte sie.
    »Genau. Und da wissen Sie doch besser als die meisten anderen, wie die Wirklichkeit aussieht.«
    »Wir wollten zusammenfassen.«
    »Ja. Also. Marianne Kleive wollte nach Wologo … Wolongo …«
    »Wolongong. Eine Stadt, nicht weit von Sydney entfernt. Sie wollte eine Großtante besuchen. Und dort Weihnachten feiern. Ganz schön kurz für so eine weite Reise.«
    »Was?«
    »Ich meine nur«, sagte der Mann und zögerte. »Dass ich länger bleiben würde als eine knappe Woche, wenn ich diese weite Reise nach Australien gemacht hätte.«

»Aber das hat ja wohl kaum etwas mit der Sache zu tun.«
    »Sagen Sie das nicht. Sagen Sie das nicht. Aber sie ist also am Freitag, dem 19. Dezember, von Sandefjord aus aufgebrochen, mit dem Zug um …«
    »12.38 Uhr.«
    »Mm. In Oslo hatte sie zuerst noch eine Verabredung …«
    »Und die hat sie jedenfalls eingehalten. Das habe ich überprüft.«
    »Danach hat sie im Hotel übernachtet und wollte am Sonntagmorgen um 09.30 Uhr nach Kopenhagen fliegen.«
    »Und dort ist sie also nicht eingetroffen.«
    »Sie ist nicht in Kopenhagen eingetroffen?«
    »In Gardermoen. Das heißt, es ist natürlich möglich, dass sie dort war, aber sie hat das Flugzeug nach Kopenhagen nicht genommen. Und deshalb können wir davon ausgehen, dass sie auch nicht nach Tokio und Sydney weitergeflogen ist.«
    Der Polizist hatte kein Gespür für diesen Sarkasmus. Er kratzte sich ungeniert im Schritt. Griff nach der Colaflasche und stellte sie wieder weg, als er merkte, dass sie leer war. »Warum ist Ihnen das erst gestern aufgefallen? Hat sie kein Mobiltelefon, diese … Ihre Bekannte?«
    »Sie ist nicht meine Bekannte. Sie ist meine Partnerin. Genauer gesagt, meine Ehepartnerin. Meine Frau, wenn Sie wollen.«
    Die Grimasse des Mannes zeigte mit aller Deutlichkeit, dass er nicht wollte.
    »Und wie schon mehrmals erwähnt«, sagte Synnøve und beugte sich mit dem Mobiltelefon in der Hand zu ihm vor, »habe ich im Laufe der Woche drei Nachrichten erhalten. Alles wies also darauf hin, dass Marianne wirklich in Australien war.«
    »Aber Sie haben nicht miteinander gesprochen.«
    »Wie gesagt, ich habe seit Sonntag mehrmals versucht, sie anzurufen, habe sie aber nicht erreicht. Gestern Abend habe ich es mindestens zehnmal versucht. Ich lande immer sofort beim Anrufbeantworter, deshalb nehme ich an, dass ihr Akku leer ist.«
    »Zeigen Sie mal die Mitteilungen«, sagte der Mann.
    Synnøve tastete sich rasch vor und reichte ihm das Telefon.
    » Alles OK. Spannedes Land. Marianne. «
    Der Mann las nicht einmal flüssig, sondern machte ein großes Geschrei darüber, dass »spannend« falsch geschrieben war.
    »Nicht sonderlich …«, sagte er dann und suchte nach dem passenden Wort, eher er die nächste Nachricht las. »Nicht sonderlich romantisch, würde ich sagen. › Alles klar hier, Marianne. ‹ «
    Er sah sie über den Rand seiner Brillengläser an. Sein Lutschtabak hatte sich als schwarzer Rand in den Mundwinkeln abgelagert, und immer wieder spuckte er

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