Gotteszahl
um die Verfolgung von Hassverbrechen ging. Sie leistete armen Opfern, vor allem Afroamerikanern, Gratisbeistand, außerdem engagierte sie sich für Mittellose und Verfolgte. Und sie entfaltete beeindruckende Aktivitäten, um sich einen Überblick über Hassgruppen im ganzen riesigen Bereich der USA zu verschaffen.
Inger Johanne klickte sich durch die inhaltsreiche Website. Es gab keine Bilder der Angestellten. Aus Sicherheitsgründen, nahm sie an. Nachdem sie zehn Minuten lang gelesen hatte, war sie jedenfalls davon überzeugt, dass die Anwältin Karen Ann Winslow beim APLC mit ihrer alten Kommilitonin identisch war.
»Perfekt«, murmelte sie.
»Finde ich auch«, sagte Isak und ließ sich in den Sessel fallen, der Inger Johannes Sofa genau gegenüber stand. »Beide Kinder schlafen, und wenn du gestattest, werfe ich einen Blick in deinen Kühlschrank und sehe mal, was ich daraus machen kann.«
Inger Johanne schaute von ihrem Rechner nicht einmal auf. Sie hatte sich zu Outlook zurückgeklickt. »Nur zu«, murmelte sie. »Diese Würstchen haben mich nicht gerade satt gemacht.«
Dear Karen!
Thanks so much for your mail. Of course I want to see you. I live in Oslo, and you are more than welcome to stay with us for a couple of days. Have to warn you, though, I am blessed with two daughters that are more than a handful.
Die Finger huschten über die Tastatur. Inger Johanne dachte nicht nach, es schien eine direkte Verbindung zwischen ihren Händen und allem zu geben, was sie in mehr als siebzehn Jahren erlebt hatte. Als ob nichts der Bearbeitung, der Abwägung bedurfte; sie schien nicht zu erklären, nur zu erzählen. Sie schrieb unbefangen über die Kinder, über Yngvar, über die Arbeit. Karen Winslow war weit weg, auf der anderen Seite des Ozeans, die alte Freundin kannte hier niemanden. Inger Johanne schrieb über ihre Leben als Forscherin, über ihre Angst, keine ausreichend gute Mutter für eine Tochter zu sein, mit der außer ihr selbst niemand umgehen konnte. Sie eigentlich auch nicht, wenn sie ehrlich sein sollte. Sie schrieb ohne Hemmungen an eine Frau, mit der zusammen sie einmal jung und frei gewesen war.
Es kam ihr fast vor wie eine Beichte.
»Voilà«, sagte Isak und stellte einen großen Teller vor sie hin. »Spaghetti carbonara mit einem witzigen kleinen Dreh. Du hattest keinen Speck, und da hab ich Schinken genommen. Du hattest keine Eier, deshalb habe ich eine Soße aus einem Rest Schimmelkäse hergestellt. Du hattest keine Spaghetti, und deshalb gibt es Tagliatelle. Und darauf wahnsinnige Mengen von fein gehacktem, kurz angebratenem Knoblauch. Also doch nicht ganz Spaghetti carbonara.«
Inger Johanne schnupperte. »Duftet himmlisch«, sagte sie zerstreut. »Im Eckschrank steht Wein, wenn du eine Flasche aufmachen möchtest. Ich trinke Mineralwasser. Würdest du mir welches holen?«
Sie starrte auf den Bildschirm und kaute nachdenklich auf ihrer Unterlippe herum,
Entschlossen markierte sie den ganzen Text, abgesehen von den ersten vier Zeilen, und drückte auf Löschen, ehe sie die kurze verbleibende Mitteilung beendete:
Let me know the details of your stay as soon as possible. I’m really looking forward to seeing you, Karen. Really.
All the best,
Inger.
»Wem schreibst du denn so viel?«, fragte Isak und legte die Beine auf den Tisch, ehe er sich den Teller auf den Brustkorb stellte und drauflos spachtelte.
Seine Tischmanieren waren ihr immer auf die Nerven gegangen.
Er hatte keine.
Er packte das bis zum Rand gefüllte Rotweinglas mit der ganzen Hand und schlürfte mit vollem Mund.
»Du isst wie ein Schwein, Isak.«
»Wem schreibst du also?«
»Einer Freundin«, sagte sie kurz. »Einer sehr alten Freundin.«
Dann klappte sie den Laptop zu, stellte ihn zur Seite und beugte sich über ihren Teller. Das Essen schmeckte so gut, wie es duftete. So saßen sie da, ohne miteinander zu reden, bis beide Teller leer waren.
Das Whiskyglas war leer.
Whiskycocktails waren Marcus’ Schwäche.
In seiner Generation waren sie kaum noch bekannt, und seine Freunde rümpften die Nase, wenn er in hohen Gläsern schweineteuren Whisky mit Sodawasser mischte. Solche Cocktails waren der feste Longdrink des Großvaters gewesen, jeden Samstag um acht Uhr abends, nach dem allwöchentlichen Bad samt Haarwäsche. Marcus jr. hatte am Tag seiner Konfirmation den ersten bekommen. Es hatte widerlich geschmeckt, aber er hatte ihn hinuntergezwungen. Männer tranken solche Cocktails, meinte der Großvater, und auf
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