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Gottfried Benn - der Mann ohne Gedächtnis: Eine Biographie (German Edition)

Gottfried Benn - der Mann ohne Gedächtnis: Eine Biographie (German Edition)

Titel: Gottfried Benn - der Mann ohne Gedächtnis: Eine Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holger Hof
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Genie«, und als ihr im November 1932 der Kleist-Preis verliehen wurde, telegrafierte er – selbst auf der Höhe der öffentlichen Anerkennung:
     
der kleistpreis so oft geschaendet sowohl durch die verleiher wie durch die praemierten wurde wieder geadelt durch die verleihung an sie 27
     
    Wenige Tage darauf trat die Lasker-Schüler zum letzten Mal vor deutschem Publikum auf. Im Schubert-Saal in der Bülowstraße am Nollendorfplatz las sie vor Freunden und Lesern aus ihrem lyrischen Werk und dem
Arthur Aronymus -Drama
. Gottfried Benn war mit einiger Sicherheit unter den Zuhörern. Wenige Monate später würde sie Deutschland verlassen und ins Schweizer Exil gehen müssen. Benn, die politische Entwicklung gänzlich falsch einschätzend, hatte ihr, die das Unheil geahnt hatte, ein Jahr zuvor geschrieben, es werde »bestimmt nicht so schlimm kommen, wie manche denken, seien Sie nicht unruhig«.
     
Aber wenn Sie je in kommenden Zeiten meiner bedürfen, so wissen Sie, daß ich Tag u Nacht zu Ihrer Verfügung stehe, auch meine Wohnung für Sie offen ist u. mein Essen u. Trinken Ihnen mit gehört. … Leben Sie wohl! Wieder liegt Schnee wie an jenem Tag draußen in Weißensee, morgen vor 4 Jahren. Grüßen Sie das Grab von Ihrem alten treuen Freund u. Genossen Benn 28
     
    Ein letztes Mal hörte sie in Zürich von Benn im Mai 1933 durch ihre Freundin, die Schauspielerin Maria Moissi. Diese hatte ihn angerufen, um ihn um Hilfe für die Freundin zu bitten. Zwar habe er sich »liebevoll nach Ihnen erkundigt« und versprochen, sofort jemanden bei einer »Loge oder Organisation« 29 in Zürich anzurufen und Else zu schreiben. Doch von beidem ist nichts bekannt. Tilly Wedekind, die sie 1934 in Zürich besuchte, beschrieb er die Freundin als »sehr seltsam und genial, aber menschlich ganz fragwürdig u. romantisch. Dazu natürlich fanatisch antideutsch u. lügt wie alle so hysterischen Menschen.« 30 Doch: »›Ihre Zeit wird noch kommen – aber erst viel, viel später.‹« 31
    Sie starb im Januar 1945 in Jerusalem. Sieben Jahre später gedachte er ihrer – in seiner ersten öffentlichen Rede nach dem Krieg überhaupt – im Berliner British Centre als der »größten Lyrikerin, die Deutschland je hatte«.
     
Ihre Themen waren vielfach jüdisch, ihre Phantasie orientalisch, aber ihre Sprache war deutsch, ein üppiges, prunkvolles, zartes Deutsch, eine Sprache reif und süß, in jeder Wendung dem Kern des Schöpferischen entsprossen. Immer unbeirrbar sie selbst, fanatisch sich selbst verschworen, feindlich alles Satten, Sicheren, Netten, vermochte sie in dieser Sprache ihre leidenschaftlichen Gefühle auszudrücken, ohne das Geheimnisvolle zu entschleiern und zu vergeben, das ihr Wesen war. 32

»Ich verwerfe mich fast vollständig,
da ich mich neu sammle«
33
     
     
    Im Laufe des Jahres 1913 konnte der seit zwei Jahren im Bau befindliche Erweiterungsbau des Städtischen Bürgerhaus-Hospitals in der Sophie-Charlotten-Straße 117 endlich eingeweiht werden. Benn hatte sich im Vorfeld an der Einrichtung des pathologischen Instituts in der Frauenklinik beteiligt und leitete es ab 10. November, dem Tag der Eröffnung. Für ein knappes halbes Jahr wohnte er am Spandauer Berg 15 /16 und war nun mit den Sektionen, bakteriologischen und mikroskopischen Untersuchungen betraut, und wie seine Beurteilung verdeutlicht, zeigte er sich diesen Aufgaben »in jeder Weise gewachsen«. 34 Aber was war passiert, dass er sich Anfang 1914 bereits aus einem Anstellungsverhältnis lösen wollte, in dem er erstmals keinem Vorgesetzten unmittelbar unterstand? Wie ein Jahr zuvor, als er die Uniform auszog, schied Gottfried Benn auch diesmal »auf Wunsch« 35 aus dem Krankenhausdienst und bewarb sich als Schiffsarzt bei der Hamburg-Amerikanischen Packetfahrt-Actien-Gesellschaft Hapag.
    An drei Vortragsabenden hatte Benn im vergangenen Winter teilgenommen. Am 28. November las er im Papierhaus, Dessauer Straße 2, bei einem Autorenabend seines Verlegers A. R. Meyer neben Max Herrmann-Neisse, Rudolf Kurtz, Rudolf Leonhard, Anselm Ruest u. a. Am 7. März 1914 bestritt er im Vortragssaal Austria in der Potsdamer Straße 28 mit Paul Boldt, Max Oppenheimer (Künstlername Mopp) – der über Malerei sprach und für Benn die Umschlagzeichnung des 1917 im Aktionsverlag erscheinenden Lyrikbands
Fleisch
zeichnen sollte –, Carl Einstein, Richard Oehring und Franz Pfemfert den 6. Autorenabend der
Aktion
, wo Anfang des Jahres sein

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