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Gottfried Benn - der Mann ohne Gedächtnis: Eine Biographie (German Edition)

Gottfried Benn - der Mann ohne Gedächtnis: Eine Biographie (German Edition)

Titel: Gottfried Benn - der Mann ohne Gedächtnis: Eine Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holger Hof
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zurechtgemachter Biographien (z. b. lernte 3 Jahre Schlosser in Kentukky, dann betrat er Europa): Also: Betonung des Elementaren – 12 Biographen sind Tag u Nacht beschäftigt!! … Ständig Pressenotizen!!! Vertreter bei allen Illustrierten Zeitungen!! 38
     
    Nachdem George Grosz im Sommer 1922 von einer Reise nach Russland mit einer Fischvergiftung zurückgekehrt war, musste er sich, gezeichnet von Ödemen im Gesicht, von seinem Arztfreund mit Kalkspritzen behandeln lassen: »Grosz vertrug jedoch diese Kur nicht, fiel mehrfach um, und so mußte Benn damit aufhören. Überhaupt war wohl Benns Interesse an Eva Grosz größer als seine freundschaftlichen und künstlerischen Beziehungen zu dem Zeichner. Als Ausdruck seiner Zuneigung pflegte er Frau Eva Schüsseln mit frischen Erdbeeren zu schicken. Benn, der Schwierige, brachte es aber auch fertig, sich auf der Türschwelle umzudrehen und wieder zu gehen, als er – eingeladen zu einer Abendgesellschaft bei Grosz – nicht den Kreis und Atmosphäre vorfand, die er erwartet hatte.« 39 Später sind kaum noch Berührungen der beiden Freunde überliefert. Im April 1932 wird Benn Grosz ein Exemplar der
Frankfurter Zeitung
mit seiner
Akademie-Rede
zusenden, Grosz Benn im Juni 1933 zu seiner
Antwort auf die literarischen Emigranten
gratulieren, nach dem Krieg Gertrud Zenzes den Kontakt zum Ehepaar Grosz wiederherstellen, 40 das Care-Pakete sendet und im Juni 1951 erstmals wieder nach Berlin kommt:
     
Der Abend mit Ehepaar Grosz war reizend, sehr alkoholisch u. dauerte bis 12 ½. Wir küssten uns auf beide Wangen, George undich, u waren ein Herz u. eine Seele. Sie haben geerbt drüben u. zuckeln nun durch Europa, anscheinend eine ganze Masse geerbt! Freut mich für sie. 41
     
    Drei Jahre später trafen sie sich erneut. Der Berliner Senat gab zu Ehren George Grosz’ einen Empfang, doch »Gr. war nach einer halben Stunde schon wieder so blau, dass er nicht mehr wusste, was er redete, persönlich und allein habe ich ihn nicht gesehn, ich hatte keine Lust auf eine Sauftour«. 42 Zum letzten Mal sahen sie sich am 30. November 1954 in Benns Stammkneipe. 43

»Die Biographie des Ich ist nicht geschrieben«
44
     
     
    Im Juni 1918 starb Benns Chefarzt Professor Edmund Lesser. Die Frühjahrsoffensive war beendet, die deutschen Truppen waren bis auf wenige Kilometer an Paris herangerückt. Ein erster Tiefpunkt nach der Heimkehr war erreicht: »Ich lebe in einer toten drückenden Zeit u. weiß nicht aus u. ein u. fühle mich ermatten u. sehe weg von mir, um meinen Untergang in bürgerlichen und sozialen Tugenden nicht zu sehn.« 45 Else Lasker-Schüler lud ihn in die Schweiz ein – schließlich gäbe es da auch Lazarette –, etwa ins Tessin oder an die Strände der Ostsee. Was die Literatur beträfe, solle er mit Leo Kestenberg vom Cassirer Verlag sprechen. »Tue es, daß Du wieder Lust zum Dichten bekommst.« 46 Dass er sie verloren hatte, wen wundert es! Ein Kontinent war zusammengebrochen, ein zu lange währendes Jahrhundert, eine Epoche. Zehn Millionen Soldaten waren dem Krieg zum Opfer gefallen, doppelt so viele waren schwer verwundet, in Deutschland standen eine Million Menschen vor dem Hungertod. Als der Krieg sich dem Ende näherte, resümierte Benn in
Phimose
, der letzten Novelle über seine Zeit in Brüssel:
     
Weil alles stirbt, weil alles kürzer ist als das
Wort und die Lippe, die es will sagen, weil alles über seinen Rand zerbricht, zu tief geschwellt von der Vermischung.
Weil ich kein Ich mehr bin, sind meine Arme schwer geworden. 47
     
    Bereits während des Krieges hatten der 20-jährige Jurist Wolf Przygode und der etwa gleich alte Germanist Hermann Kasack fünf private Leseabende veranstaltet, bei denen neben anderen auch Gedichte Gottfried Benns gelesen worden waren. Przygode entwickelte daraus die Idee für eine Zeitschrift, die den Namen
Die Dichtung
tragen sollte. Die ersten vier Bände erschienen im eigenen Münchner Roland-Verlag, ab 1920 zwei weiterebei Gustav Kiepenheuer in Potsdam, der mit Kasack, Przygode und Edlef Köppen, späterer Rundfunkredakteur bei der Berliner Funk-Stunde, einen Mitarbeiterkreis bildete, der maßgeblich an der weiteren literarischen Entwicklung Benns teilhaben sollte.
    Am Ende eines jeden Heftes lieferte Przygode eine bibliographische Zusammenstellung über das erschienene Werk zeitgenössischer Dichter. Für Gottfried Benn ergab sich im Herbst 1919 folgendes Bild: Die Lyrikbände
Morgue
und
Söhne
waren vergriffen, die

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