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Gottfried Benn - der Mann ohne Gedächtnis: Eine Biographie (German Edition)

Gottfried Benn - der Mann ohne Gedächtnis: Eine Biographie (German Edition)

Titel: Gottfried Benn - der Mann ohne Gedächtnis: Eine Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holger Hof
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»Verhüllung« steht …? 33
     
    Zweifellos hat sich Astrid Claes Benn gegenüber verhüllt – das Verhältnis zu ihrer Familie, zu dem Germanisten Rainer Gruenter, dem Vater ihrer Tochter, von der Benn erst spät erfuhr: all das deutete sie nur vage an. Eine Ausnahme machte sie bei ihren Gedichten. Die hatte sie ihm, wie sie schrieb, »bedingungslos geschenkt«. 34 Sie vertraute dem neuen Brieffreund, schickte noch mehr Gedichte und bat ihn eindringlich, einer Einladung ihres Chefs Professor Wilhelm Emrich zu folgen und nach Köln zu kommen, während Benn – »auf der Jagd nach Einzelheiten« – sich für Details aus ihrem Leben interessierte. »Was für lange Briefe ich plötzlich schreibe! Ich muss nicht ganz richtig sein.« 35
    Anfang Juni stand Ilse kurz vor ihrem Italien-Urlaub. Sie ging alleine, und ihm war es recht, denn es ergab sich, dass er am Abreisetag mit der forschen Germanistin einen gemeinsamen Abend in Kassel mit Übernachtung im Hotel verabreden konnte.
    Benns lyrischer Kessel war dermaßen angeheizt, dass er bereits am nächsten Abend »in einem Zug« »im ›Quartier Boheme‹« Dampf ablassen musste: 36
     
    Heute noch in einer Großstadtnacht
    Caféterrasse
    Sommersterne,
    vom Nebentisch
     
    Hotelqualitäten in Frankfurt
    Vergleiche,
    die Damen unbefriedigt
    wenn ihre Sehnsucht Gewicht hätte
    wöge jede drei Zentner.
     
    Aber ein Fluidum! Heiße Nacht
    à la Reiseprospekt und
    die Ladies treten aus ihren Bildern:
    unwahrscheinliche Beauties langbeinig, hoher Wasserfall
    über ihre Hingabe kann man sich gar nicht erlauben
    nachzudenken.
     
    Ehepaare fallen demgegenüber ab,
    kommen nicht an, Bälle gehn ins Netz,
    er raucht, sie dreht ihre Ringe,
    überhaupt nachdenkenswert
    Verhältnis von Ehe und Mannesschaffen
    Lähmung oder Hochtrieb. 37
     
     
    Ein weiteres Gedicht, später weder im
Merkur
noch in
Aprèslude
gedruckt, entstand am selben Sommerabend: »War im ›Bohême‹ gewesen, heiss, war ins Kritzeln gekommen u. musste so früh nach Hause, um zu notieren.« 38 Gemeint ist
Schöner Abend
. 39 Bereits am Abend darauf, nachdem er sie noch einmal überarbeitet hatte, schickte er
Melancholie, Teils-teils
und
Schöner Abend
an den
Merkur
, die dort
     
gedruckt zu sehen, meine Lebensgeister belebt u meine Depressionen zu einer Luftdrucksteigerung bringen könnten, ganz ordentliche Gedichte, eines lang u. neuartig; eines salopp mit der Slangmasche, die ich so liebe; eines zart u klein wie von Gustav Falke. 40
     
    Paeschke hielt
Teils-teils
für das gelungenste: es habe »etwas von der Geste, die Schule gemacht hat und doch irgendwo unnachahmlich ist«. 41 Interessant ist Benns Einschätzung der Gedichte insofern, als er
Schöner Abend
zu diesem Zeitpunkt noch für gelungen hielt, zwei Wochen später als »banal u. sanft« 42 und nach weiteren zwei Wochen als »weichlich« bezeichnete. 43 Danach war von dem Gedicht nie mehr die Rede.
    Am 27. Juni 1954 trug Benn eine abgespeckte Version von
Probleme der Lyrik
auf einem Symposium zum Thema »Der Staat und die Kunst des 20. Jahrhunderts« in Bad Wildungen vor.
     
Es war ganz nett. Das Bade Hotel in W. ist smart u. elegant. Ich lernte Herrn
Adorno
kennen, der auch einen Vortrag hielt, ein
sehr
intelligenter, wenig gut aussehender, Jude, aber eben von
der
Intelligenz, die eigentlich wirklich nur Juden haben, gute Juden. Wir flogen sozusagen auf einander, nur ist er noch sehr ichbezogen, eitel und, im allerdings rechtmässigen Sinne, geltungsbedürftig. 44
     
    Bernard von Brentano hielt ebenfalls einen Vortrag, doch Benn fand ihn »etwas schwach«. 45 Den Vortrag Adornos hörte er erst gar nicht an.
    Tags darauf stand das Rendezvous in Kassel an. Benn wurde mit dem Auto durch die nordhessische Hügel- und Wälderlandschaft gefahren. Sie gefiel ihm nicht. Im Park Hotel erwartete er die mädchenhafte junge Frau, die im schwarzen Rock und lilafarbenen Rolli das Taxi verließ. Benn hatte einen Rosenstrauß aufs Zimmer bringen lassen: »Rufen Sie mich an, wenn Sie mich sehn wollen, mein Zimmer ist 229.« 46 Später gingen sie im Bergpark spazieren, danach ins Schloss, tranken Tee, ruhten eine halbe Stunde in ihren Zimmern und aßen am Abend im Ratskeller. »Ich wollte, es gäbe mehr Einzelheiten, sich zu erinnern.« 47
Ihre
Erinnerung reichte später bis zu dem Moment, als der Dichter die Arme öffnete, »und ich legte einen Augenblick mich und mein Gedicht
Der Delphin
hinein. Einen Augenblick.« 48
    Nach seiner Rückkehr ließ Benn es

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