Gottfried Crayon's Skizzenbuch (German Edition)
begrenzenden Wiesen hatte; es war ein Bild der Nettigkeit, Ordnung und Behaglichkeit, welche in den gemeinsten Wohnungen in diesem Lande herrschen. Ein niedriges, weißgetünchtes Zimmer mit einem steinernen, wohlgescheuerten Fußboden diente zugleich als Wohnzimmer, Küche und Saal. Reihen von zinnernen und irdenen Tellern glänzten den Küchenschrank entlang. Auf einem alten, eichenen, wohlabgeriebenen und polirten Tische lag die Familienbibel und das Gebetbuch, und der Schubkasten enthielt die Familienbibliothek, welche aus etwa zehn, die Spuren der Finger tragenden Bänden bestand. Eine alte Uhr, dieser bedeutende Theil des Ameublements einer ländlichen Wohnung, tickte an der entgegengesetzten Seite des Zimmers; eine glänzende Wärmpfanne hing auf der einen Seite derselben, und des alten Mannes Sonntagsrohr mit hörnernem Griff, auf der andern. Der Kamin war, wie gewöhnlich, breit und tief genug, uns zwischen seine Pfeiler aufzunehmen. In einer Ecke saß des alten Mannes Enkelin, ein hübsches, blauäugiges Mädchen, und nähte, und in der entgegengesetzten war ein verjährter Spießgesell, den der Küster als John Ange anredete, und der, wie ich fand, von Kindheit an sein Gesellschafter gewesen war. Sie hatten in ihrer Kindheit mit einander gespielt; sie hatten in ihrem männlichen Alter zusammen gearbeitet; und sie wankten nun mit einander umher und schwatzten den Abend des Lebens weg, und in kurzer Zeit werden sie wahrscheinlich neben einander auf dem benachbarten Kirchhofe beerdigt werden. Es geschieht nicht oft, daß wir zwei Lebensströme so gleichförmig und ruhig neben einander dahinfließen sehen, man kann sie nur in so ruhigen Schoßgegenden des Lebens finden.
Ich hatte gehofft, von diesen alten Chroniken einige Ueberlieferungsanecdoten über den Barden einzusammeln, allein sie hatten mir nichts Neues mitzutheilen. Der lange Zwischenraum, während dessen Shakspeare’s Schriften verhältnißmäßig vernachlässigt worden sind, hat seine Schatten über des Dichters Geschichte verbreitet; und sein gutes oder böses Geschick wollte, daß seinen Lebensbeschreibern kaum eine kleine Handvoll Vermuthungen übrig geblieben ist.
Der Küster und sein Gehülfe waren als Zimmerleute bei den Zurüstungen zu dem berühmten Jubiläum in Stratford angestellt gewesen, und erinnerten sich noch Garrick’s, des ersten Anstifters des Festes, der auch die Anstalten dazu leitete. Nach Aussage des Küsters, war er ein kurzer, dicker, sehr lebendiger und geschäftiger Mann. John Ange hatte auch bei dem Umhauen von Shakspeare’s Maulbeerbaum geholfen, wovon er ein Stück zum Verkauf in der Tasche hatte, ohne Zweifel ein herrliches Belebungsmittel literarischer Gedanken.
Es ging mir sehr nahe, diese beiden würdigen Bursche sehr zweifelhaft über die beredte Frau, welche das Haus Shakspeare’s zeigt, reden zu hören. John Ange schüttelte den Kopf, als ich ihrer werthvollen unerschöpflichen Sammlung von Reliquien, und namentlich ihrer Ueberbleibsel des Maulbeerbaumes erwähnte; und der alte Küster drückte sogar einen Zweifel aus, ob Shakspeare in ihrem Hause geboren sei. Ich entdeckte bald, daß er auf ihr Haus mit einem scheelen Auge sah, als wetteifre es mit dem Grabe des Dichters, da das letztere verhältnißmäßig nur von Wenigen besucht werde. So weichen Geschichtschreiber gleich Anfangs von einander ab, und die bloßen Kiesel machen, daß schon an der Quelle der Strom der Wahrheit in verschiedenen Betten ausströmt.
Wir näherten uns durch den Lindengang der Kirche, und traten durch ein gothisches, reich verziertes, und mit Thüren von massivem Eichenholze versehenes Portal ein. Das Innere ist geräumig, und Bauart und Verzierungen besser, als die der meisten Kirchen auf dem Lande. Es sind da mehrere alte Denkmale von Adeligen und Leuten von Stande, einige mit Wappenschildern und Fahnen darüber, welche zerfetzt von den Wänden herab hingen. Shakspeare’s Grab befindet sich im Chore. Die Stelle ist feierlich und grabmäßig. Hohe Ulmen schwanken vor den spitzigen Fenstern, und der Avon, welcher in einer kleinen Entfernung von den Mauern dahinfließt, bewegt sich mit einem beständigen dumpfen Gemurmel. Ein einfacher Grabstein bezeichnet den Ort, wo der Barde begraben ist. Es stehen vier Zeilen darauf, die er selbst verfaßt haben soll, und die etwas ungemein Erschütterndes in sich haben. Wenn sie wirklich von ihm selbst sind, so zeigen sie jene Angelegenheit um die Ruhe im Grabe, welche allein feinfühlenden
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