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Gottfried Crayon's Skizzenbuch (German Edition)

Gottfried Crayon's Skizzenbuch (German Edition)

Titel: Gottfried Crayon's Skizzenbuch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Washington Irving
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vorbeieilenden Strömung bewegt. Obgleich manche Jahre verflossen sind, seitdem ich die betäubenden Schatten der schläfrigen Schlucht betreten, so glaube ich dennoch, daß ich noch jetzt eben dieselbe Bäume und dieselben Familien in ihrem geschirmten Schooße fortleben finden würde.
    In diesem Schlupfwinkel der Natur wohnte, in einer früheren Periode der amerikanischen Geschichte, das heißt etwa vor dreißig Jahren, ein würdiger Mann, mit Namen Ichabod Crane, der sich in der schläfrigen Schlucht aufhielt, oder dort »zauderte,« wie man sich auszudrücken pflegt, in der Absicht, die Kinder in der Umgegend zu unterrichten. Er war in Connecticut geboren; einem Staate, welcher die vereinigten Provinzen mit Arbeitern für den Geist so wie für die Waldung versieht, und alljährlich ganze Legionen von Grenzholzfällern und Landschulmeistern herausschickt. Der Zunahme Crane (Kranich) paßte sich nicht schlecht zu seiner Gestalt. Er war groß, aber sehr dürr, hatte schmale Schultern, lange Arme und Beine, Hände, welche eine Meile weit aus seinen Aermeln hervorragten, Füße, die zu Schaufeln gedient haben könnten, und seine ganze Gestalt hing höchst locker zusammen. Sein Kopf war klein und oben platt, mit gewaltigen Ohren, großen grünen, glasartigen Augen und einer langen Schnepfennase, die wie ein Wetterhahn aussah, der auf seinem Spindelhalse steckte, um zu verkünden, woher der Wind wehe. Wenn man ihn, an einem windigen Tage, von dem Abhange eines Hügels herabsteigen sah, wie seine Kleider um ihn her beutelten und schwebten, hätte ihn Jedermann für den Genius der Hungersnoth, der sich auf die Erde herabließe, oder für eine, auf einem Kornfelde entlaufene Vogelscheuche nehmen mögen.
    Sein Schulhaus war ein niedriges Gebäude von einem Zimmer, roh aus Holzblöcken zusammengezimmert; die Fenster theils mit Glasscheiben versehen, theils mit Blättern aus alten Schreibbüchern verklebt. In den Feierstunden wurde es sehr künstlich dadurch verwahrt, daß eine Weidenruthe in die Thürklinke gebunden und Stangen von Außen gegen die Fensterladen gesetzt waren, so daß ein Dieb, wenn er gleich mit vollkommener Leichtigkeit in das Haus gelangen konnte, einige Schwierigkeiten gefunden haben würde, wieder herauszukommen: ein Gedanke, welchen der Baumeister Jost van Houten höchst wahrscheinlich von dem Geheimniß einer Aalreuse geborgt hatte. Das Schulhaus stand in einer etwas einsamen, aber angenehmen Gegend, gerade an dem Fuße eines waldigen Hügels, an dem ein Bach nahe vorbei floß, und an einer Ecke des Gebäudes erhob sich eine furchtbare Birke. Von hier aus konnte man an einem schläfrigen Sommertage das leise Gemurmel der Stimme seiner Schüler, die ihre Aufgaben hersagten, wie das Summen eines Bienenschwarms, vernehmen; dann und wann wurde dieses Geflüster durch die nachdrucksvolle Stimme des Lehrers, der einen Befehl oder eine Drohung laut werden ließ, oder wohl auch durch den entsetzlichen Schall der Ruthe unterbrochen, wenn er irgend einen auf dem blumigen Pfade des Wissens träge Dahinschlendernden ermunterte. Er war, die Wahrheit zu sagen, ein gewissenhafter Mann, der den goldenen Spruch stets im Sinne trug: »Spare die Ruthe und verziehe das Kind.« Ichabod Crane’s Schüler wurden gewiß nicht verzogen.
    Ich will indessen Niemand zur Ansicht verleiten, er sei einer von den grausamen Schulmonarchen gewesen, welche sich der Leiden ihrer Unterthanen freuen; im Gegentheil, er verwaltete die Gerechtigkeit eher mit ruhiger Ueberlegung, als mit Strenge; denn er nahm von den Schultern der Schwachen die Last hinweg, und legte sie denen der Starken auf. Bei dem schwächlichen Knaben, der bei der geringsten Bewegung mit der Ruthe zuckte, ging sie mit Milde vorüber; aber den Forderungen der Gerechtigkeit ward volle Genüge dadurch, daß ein doppeltes Maaß irgend einem kleinen, zähen, starrköpfigen, breitschuldrigen holländischen Buben aufgezählt wurde, der unter der Ruthe aufbrauste, sich spreizte, heimtückisch wurde und sich verstockt zeigte. Alles dieß nannte er »an ihrer Eltern Statt seine Pflicht thun,« und er ertheilte nie eine Züchtigung, ohne ihr die für den geschlagenen Buben so tröstliche Versicherung folgen zu lassen, daß »er gewiß daran gedenken, und ihm den spätesten Tag, den er zu leben habe, noch dafür danken werde.«
    Nach dem Schlusse der Schulstunden ward er sogar der Gefährte und Spielgenosse der größeren Knaben; und an Feiertagsnachmittagen führte er auch wohl

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