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Gottfried Crayon's Skizzenbuch (German Edition)

Gottfried Crayon's Skizzenbuch (German Edition)

Titel: Gottfried Crayon's Skizzenbuch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Washington Irving
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das Herz warm ist, und die Thräne fällt auf das Grab, während die Liebe die Weidenruthe um den Rasen flicht; aber die Rührung erstirbt unter der langsamen Arbeit des Meißels und erkaltet bei den frostigen Gedanken des bearbeiteten Marmors.
    Es ist sehr zu bedauern, daß eine so wahrhaft zarte und rührende Sitte aus dem allgemeinen Gebrauche gekommen ist, und nur noch in den entferntesten unbedeutendsten Dörfern besteht. Allein es scheint, als ob die poetischen Gewohnheiten immer vor den Orten Scheu hätten, welche die gebildete Gesellschaft zu betreten pflegt. Je gebildeter die Leute werden, desto mehr hören sie auf, poetisch zu sein. Sie reden von Poesie, aber sie haben gelernt ihre freien Ergüsse zurückzuweisen, ihren aufstrebenden Bewegungen zu mißtrauen, und an die Stelle ihrer rührendsten und malerischsten Gewohnheiten nur studirte Form und prunkvolle Feierlichkeit zu setzen. Kein Schauspiel kann steifer und frostiger sein, als ein englisches Begräbniß in einer Stadt. Es besteht aus Pracht und düsterem Prunk; Trauerkutschen, Trauerpferde, Trauerfederbüsche und gemiethete Leidtragende, welche aus dem Gram einen Scherz machen. »Es wird,« sagt Jeremias Taylor, »ein Grab gegraben, feierliche Trauer und viel Geschwätz in der Nachbarschaft, und wenn die Tage der Trauer vorüber sind, so sind sie es, und man denkt ihrer nicht mehr.« Der Mitbewohner der fröhlichen und überfüllten Stadt ist bald vergessen; die rasche Folge neuer Freunde und neuer Freuden verwischt ihn aus unseren Gemüthern, und selbst die Scenen und Kreise, worin er sich bewegte, verändern sich ohne Aufhören. Aber Leichenbegängnisse auf dem Lande machen einen ungemein feierlichen Eindruck. Der Streich des Todes verursacht eine größere Lücke in dem Dorfkreise und ist in der ruhigen Einförmigkeit des ländlichen Lebens ein furchtbares Ereigniß. Die hallende Todtenglocke tönt ihren Klang in jedes Ohr; die Schwermuth, die sie einflößt, verbreitet ihre Schwermuth über Hügel und Thal und verdüstert die ganze Landschaft.
    Die bleibenden und unbeweglichen Züge der Landschaft erhalten gleichfalls das Andenken des Freundes, mit dem wir uns einst ihrer freuten, und der uns auf unseren einsamsten Spaziergängen Gesellschaft leistete und jede einsame Gegend beleben half. Der Gedanke an ihn verknüpft sich mit jedem Reiz der Natur; wir hörten seine Stimme in dem Widerhall, den er einst gern erweckte; sein Geist weilt in den Lauben, die er sonst besuchte; wir denken an ihn in der wilden bergigen Einsamkeit, oder unter den sinnigen Reizen des Thales. Bei der Frische des heitern Morgens gedenken wir seines leuchtenden Lächelns und seiner ausgelassenen Fröhlichkeit; und wenn der nüchterne Abend mit seinen verhüllenden Schatten und seiner stillen Ruhe wiederkehrt, so rufen wir uns manche Dämmerungsstunde, unter angenehmem Gespräch und in süßgemüthlicher Schwermuth verbracht, zurück.
Jed einsam Plätzchen zaubert mir ihn her,
Nie sei die schuldige Thräne ihm versagt;
Geliebt, bis Leben nicht erfreuet mehr,
Beweint, so lang’ die Trauer lebt und klagt.
    Eine zweite Ursache, welche das Andenken an die Verstorbenen auf dem Lande erhält, ist, daß das Grab sich unmittelbarer vor den Blicken der Ueberlebenden befindet. Sie gehen auf ihrem Wege zum Gebet bei demselben vorüber; es begegnet ihren Augen, wenn ihre Herzen von den Uebungen der Andacht noch bewegt sind; sie verweilen dabei am Sabbath, wenn das Gemüth von den weltlichen Sorgen sich frei gemacht hat, sich am liebsten von den gegenwärtigen Vergnügungen und Neigungen abwendet und unter den feierlichen Denkzeichen der Vergangenheit sich niederlassen mag In Nord-Wales knieen und beten die Landleute mehrere Sonntage nach der Beerdigung auf den Gräbern ihrer dahingeschiedenen Freunde; und wo der zarte Gebrauch, Blumen zu streuen und zu pflanzen, noch herrscht, wird er immer um Ostern, Pfingsten und an andern Festen wiederholt, wenn die Jahreszeit den Gefährten früherer Feste lebendiger in den Sinn zurückruft. Er wird auch unabänderlich von den nächsten Freunden und Verwandten selbst beobachtet und nicht durch bestellte oder bezahlte Leute besorgt, und wenn ein Nachbar seinen Beistand leiht, so würde es für eine Beleidigung angesehen werden, ihm eine Entschädigung dafür anbieten zu wollen.
    Ich habe bei dieser schönen ländlichen Sitte verweilt, weil sie einer der letzten, so wie der heiligsten Liebesdienste ist. Das Grab ist die Feuerprobe der wahren Liebe.

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