Gottfried Crayon's Skizzenbuch (German Edition)
setzt er seine Reise fort.
Die reiche Ader der Schwermuth, welche durch den englischen Charakter geht, und ihm einige seiner rührendsten und edelsten Züge verleiht, spricht sich sehr schön in diesen erhabenen Gebräuchen und in der Angelegentlichkeit aus, womit die gemeinen Leute für ein ehrenvolles ruhiges Grab sorgen. Der geringste Landmann, welcher Art auch sein niedriges Loos im Leben gewesen sein mag, wünscht doch, daß seinen Ueberbleibseln wenigstens einige Achtung zu Theil werden möge. Sir Thomas Overbury bemerkt, das »schöne glückliche Milchmädchen« schildernd: »So lebt sie, und all’ ihre Sorge ist, daß sie in der Frühlingszeit sterben möge, damit man ihr Leichentuch mit recht vielen Blumen zieren könne.« Auch die Dichter, welche immer das Gefühl eines Volkes aussprechen, spielen fortdauernd auf diese angelegentliche Besorgnis um das Grab an. In dem »Trauerspiele von der Jungfrau,« von Beaumont und Fletcher, ist ein schönes Beispiel der Art, wo die eigensinnige Schwermuth eines gemüthskranken Mädchens beschrieben wird:
Wenn sie ein Ufer sieht
Mit Blumen reich bedeckt, so sagt sie seufzend
Den Mägden, welch’ ein schöner Ort das sei,
Zum Grab für Liebende, und läßt die Mädchen
Sie pflücken und auf sich als Leiche streu’n.
Die Gewohnheit, Gräber zu zieren, herrschte einst allgemein; man bog Weidenruthen über sie hin, um den Rasen vor allen Beschädigungen zu bewahren, und pflanzte immergrünende Gesträuche und Blumen um sie her. »Wir schmücken,« sagt Evelyn in seiner Sylva, »ihre Gräber mit Blumen und wohlriechenden Pflanzen, den passenden Sinnbildern des menschlichen Lebens, das in der heiligen Schrift mit jenen verwelkenden Schönheit verglichen wird, deren Wurzeln in Unehren begraben worden sind und wieder rühmlich auferstehen.« Dieser Gebrauch ist nun in England sehr selten geworden; man findet ihn indessen noch auf den Kirchhöfen entfernter Dörfer, in den Bergen von Wales; und ich erinnere mich eines Beispiels desselben in der kleinen Stadt Ruthen, welche an dem Eingange des schönen Thales von Clewyd liegt. Auch hat mir ein Freund erzählt, der bei dem Begräbniß eines jungen Mädchens in Glamorganshire gegenwärtig war, daß das weibliche Geleite Schürzen voll Blumen gehabt, welche sie, sobald die Leiche beerdigt gewesen, auf das Grab gesteckt hätten.
Er erwähnte mehrere Gräber, welche auf ähnliche Weise geschmückt worden waren. Da man die Blumen nur in die Erde gesteckt, nicht aber gepflanzt hatte, so waren sie bald verwelkt! und man sah sie in allen Gestalten des Dahinwelkens; einige sich neigend, andere schon ganz abgestorben. Man pflanzte nachher Stechpalmen, Rosmarin und andere immergrünende Sträucher an der Stelle, welche auf einigen Gräbern sehr üppig emporwuchsen und die Grabsteine ganz überschatteten.
Es war sonst eine schwermüthige Zierlichkeit in der Anordnung dieser ländlichen Opfer, welche etwas wahrhaft Dichterisches in sich hatte. Die Rose war zuweilen mit der Lilie gepaart, um ein allgemeines Sinnbild der gebrechlichen Sterblichkeit zu geben. »Diese süße Blume,« sagt Evelyn, »von einem mit Dornen besetzten Stengel getragen und von der Lilie begleitet, sind natürliche Hieroglyphen, von unserm flüchtigen, bewölkten, angstvollen und vorübergehenden Leben, das, so schön auch eine Zeit lang sein Aeußeres erscheint, dennoch nicht ohne seine Dornen und Widerwärtigkeiten ist.« Die Beschaffenheit und Farbe der Blumen und der Bänder, mit denen sie zusammengebunden waren, hatte oft eine besondere Beziehung auf die Eigenschaften oder die Geschichte des Verstorbenen, oder sprach die Gefühle des Trauernden aus. In einem alten Gedicht: »Corydon’s Trauertöne« genannt, zählt ein Liebhaber die Zierrathen auf, die er zu wählen beabsichtigt.
Ein Kranz, der wird gebunden,
Ihn flicht kunstreiche Hand,
Von buntgefärbten Blumen,
Als treuer Liebe Pfand.
Und buntgefärbte Bänder
Soll man von mir d’ran sehn;
Doch Schwarz und Gelb vor allen
Mit ihr zum Grab soll gehn.
Ich deck’ ihr Grab mit Blumen,
Den schönsten, die da blühn;
Ich halte sie mit Thränen
Statt Regens frisch und grün.
Die weiße Rose, sagt man, wurde auf das Grab einer Jungfrau gepflanzt, ihr Kranz ward zum Zeichen ihrer fleckenlosen Unschuld mit weißen Bändern gebunden, obgleich zuweilen auch schwarze Bänder mit eingeflochten wurden, den Schmerz der Ueberlebenden auszudrücken. Die rothe Rose ward zuweilen gebraucht, um an solche zu erinnern, die
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