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Gottfried Crayon's Skizzenbuch (German Edition)

Gottfried Crayon's Skizzenbuch (German Edition)

Titel: Gottfried Crayon's Skizzenbuch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Washington Irving
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die Stelle der kalten Neugier oder der vagen Bewunderung, womit sie die glänzenden Denkmale der Großen und der Helden betrachten. Sie bleiben bei diesen wie bei den Gräbern von Freunden und Genossen stehen; denn, in der That, es besteht zwischen dem Schriftsteller und dem Leser eine Art von Gemeinschaft. Andere Leute werden der Nachwelt nur durch die Geschichte bekannt, welche immer schwächer und dunkler wird: aber die Verbindung zwischen dem Schriftsteller und seinen Zeitgenossen ist immer neu, lebendig und unmittelbar. Er hat mehr für sie, als für sich selbst gelebt: er hat die ihn umgebenden Genüsse aufgeopfert, und sich von den Vergnügungen des geselligen Lebens ausgeschlossen, um desto genauer sich mit entfernten Gemüthern und entfernten Zeiten zu befreunden. Wohl mag die Welt sich seinen Ruhm angelegen sein lassen; denn er hat ihn nicht durch Gewaltsamkeiten und Blutvergießen, sondern durch die ihr emsig bereiteten Genüsse erworben. Wohl mag die Nachwelt dankbar gegen sein Andenken sein; denn er hat ihr eine Erbschaft hinterlassen, die nicht in leeren Namen und hochtönenden Thaten, sondern in ganzen Schätzen von Weisheit, den hellfunkelnden Edelsteinen der Gedanken und den goldenen Adern der Sprache, besteht.
    Aus dem Dichter-Winkel setzte ich meine Streiferei nach dem Theile der Abtei fort, welcher die Gräber der Könige enthält. Ich wanderte zwischen dem umher, was einst Capellen waren, nun aber von den Gräbern und Denkmalen der Großen eingenommen ist. Bei jeder Wendung begegnete ich irgend einem ausgezeichneten Namen, oder der Erinnerung an irgend ein in der Geschichte berühmtes Haus. Wenn das Auge in diese finsteren Kammern des Todes blickt, sieht es sonderbare Bildnisse; Einige knieend, wie zum Gebete, in Nischen; Andere auf den Gräbern mit fromm gefalteten Händen ausgestreckt; Krieger in ihrer Rüstung, als ruhten sie von der Schlacht aus; Prälaten mit Krummstäben und Bischofsmützen, und Edelleute in Staatsgewändern und mit Wappenkronen, als ob sie auf dem Paradebett lägen. Beim Betrachten dieser so seltsam bevölkerten Räume, die doch so still und öde sind, scheint es beinahe, als ob wir ein Haus in jener fabelhaften Stadt beträten, wo Alles plötzlich in Stein verwandelt worden war.
    Ich blieb stehen, um ein Grab zu betrachten, worauf ein Ritter in voller Rüstung lag. An dem einen Arme hatte er einen großen Schild; die Hände waren betend auf der Brust gefaltet; das Gesicht war beinahe ganz von der Sturmhaube bedeckt; die Beine waren gekreuzt, zum Zeichen, daß der Krieger die heiligen Kriege mitgemacht habe. Es war das Grabmal eines Kreuzfahrers; eines der kriegerischen Schwärmer, welche so seltsam Religion und Romantik vermischten, und deren Thaten das Verbindungsglied zwischen Thatsache und Dichtung, zwischen Geschichte und Feenmährchen bilden. Es liegt etwas ungemein Malerisches in den Gräbern dieser Abenteurer, welche so mit den rohen Wappenschilden und der gothischen Bildhauerarbeit verziert sind. Sie passen zu den alterthümlichen Capellen, in denen man sie gewöhnlich findet, und wenn man sie betrachtet, entzündet sich die Einbildungskraft wohl bei dem Gedanken an Sagengeschichte, Romanendichtungen, und den ritterlichen Prunk und Glanz, welchen die Dichtkunst über die Kriege für das Grab Christi verbreitet hat. Sie sind die Ueberbleibsel von durchaus vergangenen Zeiten; – von Wesen, die ganz aus dem Gedächtniß entschwunden sind; – von Sitten und Gewohnheiten, mit denen die unsrigen keine Verwandtschaft haben. Sie sind wie Gegenstände aus einem fremden, weitentfernten Lande, von welchem wir keine gewisse Kenntniß haben, und über das alle unsere Begriffe unbestimmt und verschwebend sind. Es liegt etwas ungemein Feierliches und Ehrfurchtgebietendes in diesen Bildern auf den gothischen Grabmälern, die wie im Todesschlafe oder im Gebete der Todesstunde ausgestreckt daliegen. Sie machen einen unendlich tieferen Eindruck auf mein Gefühl, als die phantastischen Stellungen, die gesuchten Gedanken und die allegorischen Gruppen, welche man auf den neueren Denkmalen in Ueberfluß findet. Auch die Trefflichkeit mancher alten Grabschriften hat auf mich einen ungemein großen Eindruck gemacht. Man hatte in alten Zeiten eine schöne Art, Dinge ganz einfach zu sagen, und sie doch mit großem Stolz zu sagen, und ich kenne keine Grabschrift, aus welcher ein stolzeres Bewußtsein von Familienwerth und edler Abkunft spräche, als eine, worin von einem adeligen Hause

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