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Gottfried Crayon's Skizzenbuch (German Edition)

Gottfried Crayon's Skizzenbuch (German Edition)

Titel: Gottfried Crayon's Skizzenbuch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Washington Irving
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erwägend, habe er seine Besuche heimlich wiederholt – den Garten unter dem Fenster der jungen Dame durchstreift – geworben – gewonnen – sie im Triumph davon geführt – und mit einem Wort, die Schöne geehelicht.
    Unter anderen Umständen würde der Baron unerbittlich gewesen sein, denn er hielt sehr auf väterliches Ansehen, und verfocht Familienfehden mit gehöriger Hartnäckigkeit; allein er liebte seine Tochter; er hatte sie für verloren gehalten; er freute sich, sie wieder lebend zu finden, und ihr Gatte war, wenn gleich aus einem feindlichen Hause, doch, dem Himmel sei’s gedankt, kein Gespenst. Es lag allerdings in dem Scherz, den der Ritter mit ihm getrieben, sich gegen ihn für einen Todten auszugeben, etwas, das mit seinen Begriffen von strenger Wahrheitsliebe nicht so recht zusammenpassen wollte; allein mehrere alte anwesende Freunde, welche mit im Kriege gewesen waren, versicherten ihn, daß in der Liebe sich jede Kriegslist entschuldigen lasse, und daß der Cavalier um so mehr dazu berechtigt gewesen sei, diese zu brauchen, da er kürzlich als Anführer eines Reiterhaufens gedient habe.
    Es ward daher Alles auf das Beste ausgeglichen. Der Baron verzieh dem jungen Paare auf der Stelle. Die Festlichkeiten auf dem Schlosse begannen aufs Neue, die armen Verwandten überhäuften das neue Familienglied mit liebender Zärtlichkeit; es war ja so wacker, so großmüthig und – so reich. Die Basen ärgerten sich allerdings ein wenig, daß ihr System der strengen Abgeschiedenheit und des Gehorsams sich so schlecht bewährt habe, schrieben aber Alles ihrer Nachlässigkeit zu, daß sie die Fenster nicht vergittern lassen. Eine von ihnen fühlte sich besonders gekränkt, daß ihre wunderbare Geschichte so ganz verdorben, und das einzige Gespenst, das sie in ihrem Leben gesehen, ein unechtes gewesen sei; aber die Nichte schien vollkommen zufrieden zu sein, daß sie das Gespenst aus wirklichem Fleisch und Blut bestehend gefunden – und so endigte die Geschichte.
    Die Westminster-Abtei.

Wenn, tief erstaunt, mein Auge sich erhebt,
Im hehren Westminster, wo der Verein
Der Könige und all der Edeln lebt
In ihren Denkmälern von Erz und Stein;
Seh’ ich da nicht den Adel umgestaltet,
Entblößt des Stolzes und der eiteln Pracht?
Die Majestät, die da gutmüthig waltet,
Des Pompes baar und ihrer ird’schen Macht?
Und wie ein Spielwerk, ein bemalter Stein
Nun ihrem stillen Geiste wohlgefällt,
Dem einst der Raum zu unbedeutend klein
Erschien, wie hoch ihn auch das Glück gestellt?
Sein ist das Eis kalter Glückseligkeit,
Sterben das Aufthau’n aller Eitelkeit.
Christolero’s Epigramme, von T. B. 1598.

    An einem jener ruhigen und fast schwermüthigen Tag, in der späteren Zeit des Herbstes, wo die Morgen-und Abendschatten sich beinahe vermischen und eine gewisse Düsterkeit über das hinscheidende Jahr werfen, brachte ich mehrere Stunden mit einer Wanderung um die Westminster Abtei zu. Es lag in der Jahreszeit etwas, mit der trüben Pracht des alten Gebäudes Uebereinstimmendes, und als ich über die Schwelle desselben schritt, schien ich in das Gebiet des Alterthums zurückzuschreiten, und mich unter den Schatten früherer Jahrhunderte zu verlieren.
    Ich trat von dem einen Hofe der Westminster Schule durch einen langen, niedrigen, gewölbten Gang ein, der beinahe wie ein unterirdischer aussah, und nur an einer Stelle durch kreisrunde, in die dicken Mauern gebrochene Oeffnungen schwach erleuchtet wird. Aus diesem finstern Gang hatte ich eine entfernte Aussicht auf die Kreuzgänge, und sah die Gestalt eines alten Kirchendieners, in seinem schwarzen Mantel, der unter den düsteren Gewölben, wie ein Gespenst aus einem der benachbarten Gräber, sich dahinbewegte. Der Zugang zur Abtei durch diese dunkelen mönchischen Ueberbleibsel, bereitete das Gemüth auf die feierliche Betrachtung derselben vor. Die Kreuzgänge haben noch immer etwas von der Ruhe und Abgeschlossenheit früherer Tage. Die grauen Mauern sind durch die Feuchtigkeit farblos geworden, und verfallen vor Alter; über den Inschriften der Grabmale hat sich eine Decke von weißlichem Moose gebildet, und die Todtenköpfe und andere Sinnbilder des Grabes gedunkelt. Die scharfen Spuren des Meißels sind an den reichen Bogenverzierungen verschwunden; die Rosen, welche die Schlußsteine verzierten, haben ihre blattreiche Schönheit verloren; Alles trägt die Spuren der allmähligen Zerstörung der Zeit, welche dennoch, selbst in ihrem Verfall, etwas

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