Gottfried Crayon's Skizzenbuch (German Edition)
Rührendes und Angenehmes hat.
Die Sonne warf einen gelben, herbstlichen Strahl in die breiten Kreuzgänge, beleuchtete einen dürftigen Rasenfleck in der Mitte, und erhellte einen Winkel des gewölbten Ganges. Zwischen den Bogengängen hindurch erblickte das Auge zuweilen eine kleine Stelle vom blauen Himmel, oder eine vorüberziehende Wolke, und sah die von der Sonne vergoldeten Zinnen der Abtei sich zu dem blassen Aether erheben.
Während ich die Kreuzgänge durchschritt, zuweilen dieses gemischte Gemälde von Herrlichkeit und Verfall betrachtend, und zuweilen die Inschriften auf den Grabsteinen zu entziffern suchend, welche das Pflaster unter meinem Fuße bildeten, ward mein Auge durch drei, roh in Stein ausgehauene, aber durch die Tritte mancher Geschlechter beinahe verwischte Gestalten angezogen. Es waren die Bildnisse von drei früheren Aebten; die Grabschriften waren gänzlich verwischt; nur die Namen, die man wahrscheinlich in späteren Zeiten aufgefrischt hatte, waren geblieben. (
Vitalis Abbas 1082, Gislebertus Crispinus Abbas 1114
und
Laurentius Abbas 1176
) Ich blieb eine Weile stehen und dachte über diese zufällig erhaltenen Ueberbleibsel des Alterthums nach, welche so, wie Wracke auf dieser entfernten Küste der Zeit erhalten, nichts verkünden, als daß solche Wesen vorhanden waren und dahingegangen sind, und keine Moral lehren, als die Nichtigkeit des Stolzes, der noch in seiner Asche Ehrenbezeigungen fordern zu können und in einer Inschrift fortzuleben hofft. Ein wenig länger, und selbst diese schwache Erinnerung wird verschwunden sein, und das Denkmal selbst aufhören, als ein Andenken zu dienen. Während ich so auf die Grabsteine herabblickte, wurde ich durch den Ton der Abteiglocke aufgeschreckt, welche von Pfeiler zu Pfeiler zurückhallte, und in den Kreuzgängen widertönte. Es ist beinahe erschreckend, dieses Mahnen der dahingeschwundenen Zeit unter den Gräbern ertönen und das Verflossensein einer Stunde ankündigen zu hören, welche, wie eine Welle, uns vorwärts gegen das Grab gerollt hat. Ich setzte meinen Spaziergang nach einer Bogenthüre fort, welche in das Innere der Abtei ging. Wenn man hier eintritt, dringt die Größe des Gebäudes, im Contrast mit den Gewölben des Kreuzgangs, gewaltig auf das Gemüth ein. Das Auge blickt mit Erstaunen auf die gekoppelten Säulen von riesenhaften Verhältnissen, mit Bogen, welche von ihnen bis zu einer so erstaunlichen Höhe emporsteigen, und den Menschen, der an ihren Fußgestellen umhergeht, und, im Vergleich mit dem Werk seiner Hände, selbst zur Unbedeutsamkeit herabgesunken ist. Der weite Raum und die Düsterkeit des Gebäudes erzeugen eine tiefe und geheimnißvolle Ehrfurcht. Wir wandeln bedachtsam und leise umher, als ob wir fürchteten, das heilige Schweigen des Grabes zu unterbrechen; während jeder Fußtritt an den Wänden entlang widertönt, unter den Gräbern rauscht, und uns die Stille noch fühlbarer macht, welche wir unterbrochen haben.
Es scheint, als ob das Ergreifende des Ortes die Seele niederdrücke, und den Beschauer zu einer geräuschlosen Ehrfurcht zwinge. Wir fühlen, daß wir von den vereinten Gebeinen der großen Männer früherer Zeit umgeben sind, welche die Geschichte mit ihren Thaten und die Erde mit ihrem Ruhme erfüllt haben.
Und doch erregt es beinahe ein Lächeln über die Eitelkeit des menschlichen Ehrgeizes, wenn man sieht, wie Alle im Staube zusammengedrängt und gepreßt sind; welche Kargheit beobachtet worden ist, einen kleinen Winkel, eine finstere Ecke, einen kleinen Fleck Erde, denen zuzutheilen, die im Leben kaum Königreiche befriedigen konnten; und wie manche Gestalten, Formen und Künste angewandt werden, die zufällige Aufmerksamkeit des Vorübergehenden auf sich zu ziehen, und auf wenige kurze Jahre, einen Namen der Vergessenheit zu entreißen, der einst die Gedanken und die Bewunderung der Welt zu fesseln gedachte.
Ich brachte eine Zeitlang in dem »Dichter-Winkel« zu, welcher das Ende eines der Kreuzflügel der Abtei bildet. Die Denkmale sind überhaupt einfach, denn das Leben der Gelehrten bietet für den Bildhauer kein weites Feld dar. Shakspeare und Addison hat man Bildsäulen zu ihrem Andenken errichtet; der größere Theil der Verstorbenen aber hat Büsten, Medaillons, und zuweilen bloße Inschriften. Der Einfachheit dieser Andenken ungeachtet, habe ich immer bemerkt, daß die Besucher der Abtei am längsten bei ihnen verweilen. Ein freundlicheres und angenehmeres Gefühl tritt an
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