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Gottfried Crayon's Skizzenbuch (German Edition)

Gottfried Crayon's Skizzenbuch (German Edition)

Titel: Gottfried Crayon's Skizzenbuch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Washington Irving
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Wohllauts, himmelan zu eilen!
    Ich saß eine Zeit lang da, in die Art von Nachdenken verloren, in welche uns die Musik sehr oft versetzt; die Abendschatten verdunkelten sich allmählig um mich her; die Denkmale überzogen sich mit einer dunkelern und dunkelern Färbung, und der entfernte abermalige Ton der Glocke deutete den schwindenden Tag an.
    Ich stand auf und schickte mich an, die Abtei zu verlassen. Als ich die Stufen hinabstieg, welche in den Haupttheil des Gebäudes führen, fielen meine Augen auf den Schrein Eduard’s des Bekenners, und ich stieg die kleine Treppe hinan, welche zu demselben führt, um von dort aus eines allgemeinen Ueberblicks über diese Wildniß von Gräbern zu genießen. Der Schrein erhebt sich auf einer Art Platform, und dicht darum her sind die Gräber mehrerer Könige und Königinnen. Von dieser Höhe blickt das Auge, zwischen Pfeilern und Grabtrophäen hindurch, auf die Capellen und die Räume hinunter, die mit Gräbern angefüllt sind, wo Krieger, Prälaten, Hofleute und Staatsmänner in ihren »Betten der Dunkelheit« ruhig schlummern. Dicht neben mir stand der große Krönungsstuhl, der in dem barbarischen Geschmack eines entfernten, gothischen Zeitalters, roh aus Eichenholz geschnitzt ist. Die Scene scheint beinahe wie mit theatralischer Kunst so eingerichtet, einen tiefen Eindruck auf den Beschauer hervorzubringen. Hier war der Anfang und das Ende menschlichen Prunkes und menschlicher Macht deutlich zu sehen; hier war, buchstäblich, nur ein Schritt vom Throne bis zum Grabe. Ist es nicht, als ob diese unzusammenhängenden Denkmale bloß deßwegen zusammengestellt wären, um der noch lebenden Größe eine Lehre zu geben? – um ihr, selbst in dem Augenblicke ihrer stolzesten Ueberhebung, zu zeigen, wie bald die Nichtachtung und Geringschätzung ihr zu Theil werde; wie bald sie die Krone, welche ihre Stirn umgibt, zurücklassen, sich in den Staub und die Erniedrigung des Grabes hinlegen, und von den Gemeinsten aus der Menge mit Füßen treten lassen muß. Denn es ist seltsam zu sagen, selbst das Grab ist hier kein Heiligthum mehr. Es liegt ein empörender leichter Sinn in einigen Gemüthern, welcher sie mit erhabenen und heiligen Dingen ihr Spiel treiben läßt; und es gibt niedrige Seelen, welche sich für die verächtliche Huldigung und die kriechende Unterwürfigkeit, die sie den Lebenden bezeigen, an den erlauchten Todten zu rächen suchen. Der Sarg Eduard’s des Bekenners ist erbrochen worden und man hat seinen Ueberbleibseln ihre Leichenzierrathen abgenommen; das Scepter ist aus der Hand der gebietenden Elisabeth gestohlen worden, und das Bild Heinrich’s des Fünften liegt kopflos da. Es ist nicht ein Denkmal der Könige, das nicht Beweise lieferte, wie heuchlerisch und vorübergehend die Huldigung der Menschen ist. Einige sind beraubt; andere verstümmelt; andere mit Unzüchtigkeiten und Spottworten bedeckt – alle mehr oder weniger gemißhandelt und entehrt!
    Die letzten Strahlen des Tages fielen jetzt schwach durch die bemalten Glasfenster in die hohen Gewölbe über mir; der untere Theil der Abtei war schon in die Dunkelheit des Zwielichts gehüllt. Die Capellen und Seitengänge wurden dunkler und dunkler. Die Bilder der Könige verschwanden in Schatten; die Marmorgebilde auf den Denkmalen nahmen in dem ungewissen Licht sonderbare Gestalten an; der Abendwind wehte durch die kalten Seitengänge wie Grabeshauch; und selbst der entfernte Fußtritt eines Küsters, der durch den Dichter-Winkel ging, hatte etwas Sonderbares und Unheimliches in seinem Schall. Ich trat langsam meinen Rückweg an, und als ich aus dem Thore des Kreuzganges trat, schloß sich die Thür mit einem knarrenden Geräusch hinter mir, von welchem das Gebäude widerhallte.
    Ich bemühte mich, die Gegenstände, die ich gesehen, in meinem Gemüthe etwas zu ordnen, fand aber, daß sie schon undeutlich und verworren geworden waren. Namen, Inschriften, Siegeszeichen, Alles hatte sich in meinem Gedächtniß untereinander gemischt, obgleich ich kaum meinen Fuß über die Schwelle gesetzt hatte. Was anders, dachte ich, ist diese große Masse von Grabmälern, als eine Schatzkammer der Demüthigung; ein großer Haufe wiederholter Erbauungsreden über die Nichtigkeiten des Ruhms und die Gewißheit der Vergessenheit! Hier ist in der That das Reich des Todes; sein großer Schattenpallast, wo er auf dem Throne sitzt, der Ueberbleibsel menschlicher Größe spottet, und Staub und Vergessen auf die Grabmäler der

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