Gott´sacker (Krimi-Edition)
Innere wattiert.
Die beiden Polizisten grüßten förmlich und setzten ihre schicken Dienstmützen auf. Ihre Schritte knirschten uniform auf dem gekiesten Boden.
»Sie haben einen Leichenfund gemeldet. Sind Sie sicher, dass es sich um eine menschliche Leiche handelt?«
Ich nickte und zeigte in Richtung Ried.
»Dort liegt sie.«
Sie nahmen meine Personalien auf und wollten hören, wie ich die Leiche gefunden hatte.
»Können Sie uns die Stelle zeigen?«
Ich stieg zu ihnen in den grün-weißen Passat – er hatte keine Klimaanlage, aber schon 250.000 Kilometer auf dem Tacho, wie mir der Fahrer stolz erklärte.
Diesmal blieb ich an der glühenden Straße stehen. Mit einer Stiefelspitze bohrte ich im flüssigen Teer. Der Geruch gefiel mir, er erinnerte mich an meine Kindheit. Mit zehn Jahren hatte ich die Schlattersche Krankheit, eine Erweichung des Knochens im rechten Knie kombiniert mit einer Entzündung der dazugehörigen Sehne. Und meine Oma war der Überzeugung, dass die Behandlungsmethoden des Arztes falsch waren. Das Beste sei, Umschläge mit Ichtolan zu machen – einer teerhaltigen Salbe. Wenn ich hinter einem LKW herfahre, der Teer geladen hat, überhole ich nie – ich genieße es.
Ich beobachtete von der heiß flirrenden Straße aus, wie die Polizisten mit roten, verschwitzten Köpfen durch das hohe Gras in die Richtung des schiefen winzigen Glockentürmchens staksten. Bald kamen sie zurück mit deutlich weniger Farbe im Gesicht. Ich hörte, wie sie mit dem Funkgerät redeten. Dieses gab ihnen krächzend und unverständlich Antwort. Dann kamen sie zu mir und stellten nochmals Fragen, wie ich die Leiche gefunden und warum ich gerade hier angehalten hätte. Und dann musste ich wieder warten.
In der spiegelnden Spätnachmittagshitze kam die blau-silberne Prozession wie in Zeitlupe die holprige Riedallee entlang. Es stiegen mehr Männer als Frauen aus den Autos. Einige hatten weiße Overalls, Handschuhe und weiße Hauben an. Sie trugen Köfferchen, Kistchen, Kameras und mir unbekannte technische Geräte. Andere waren in Uniform und brachten rot-weiße Absperrbänder. Ein paar waren in Zivil und zwei von ihnen kamen geradewegs auf mich zu.
»Grüß Gott, Härmle, Kripo, Sie haben die Leiche gefunden? Das ist meine Kollegin Frau Krieger.«
Seine nicht unansehnliche blonde Begleitung nickte mir kurz zu und musterte mich von oben bis unten. Ganz unten blieb ihr Blick eine Sekunde zu lange an meinen Stiefeln haften. Mein Blick blieb kurz an der nachlässig geknöpften Bluse der attraktiven braunäugigen Beamtin hängen.
»Ihr Name?«, fragte sie und kramte etwas aus ihrer Handtasche.
»Bönle, Daniel Bönle.«
Und wieder erzählte ich die Geschichte vom Insekt und dem Visier …
Der Kommissar hörte aufmerksam zu, seine Begleiterin machte mit einem zahnstocherartigen Stift Notizen in ein Gerät, das aussah wie ein Handy. Allerdings zeigten ihre hektischen und ruckartigen Handbewegungen, gekoppelt mit ärgerlichem Kopfschütteln, dass Kugelschreiber und Notizblock ihre Aufgaben besser erfüllt hätten.
Ich bin ja ansonsten kein altmodischer Mensch, aber diese Minicomputer finde ich einfach lächerlich.
Als ich meine Geschichte wiederum zum Besten gegeben hatte, ihnen noch einmal versicherte, dass ich die Kapelle nicht betreten, die Tür aber etwas aufgestoßen hatte und meine Personalien noch einmal aufgenommen wurden, war ich endlich entlassen. Jedoch nicht, ohne einen Termin fürs Protokoll abgemacht zu haben.
Ein Polizist bot sich an, mich nach Riedhagen zu fahren. Ich lehnte ab.
Ich wollte meinen Kopf frei laufen. Ich muss zugeben, dass ich ansonsten nicht viel laufe. Die größte Strecke, die ich in meinem poststudentischen Leben so zurücklege, ist die vom Bett zum Kühlschrank. Deshalb hatte ich auch die Strecke durchs Ried völlig unterschätzt. Vier Kilometer sind auch so kaum machbar, aber unter den gegebenen Umständen eine Spitzenleistung. Meine neuen Stiefel waren noch nicht eingelaufen und meine Lederjacke eindeutig zu warm für diesen Marsch. Hätte ich sie ausgezogen, hätte ich sie tragen müssen. Und die Sonne ließ sich heute mit dem Untergehen besonders viel Zeit. Rechterseits neben der Straße lag Riedhagen, von der zögerlichen Sonne in weichem Orange beschienen. Trotz meiner Erschöpfung, gepaart mit meiner läuferischen Unlust, war das, was ich sah, schön. Das 800-Seelen-Dorf lag sanft am Hang. Dort, wo der Saum des Rieds durch Hecken und Apfelbäume gekennzeichnet
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