Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion
ja, sein Rücken sah traurig drein; ich bin sicher, er hat gewußt, wie es gehen wird.«
Neben Schilasky liegt ein langer, magerer Mensch, der ein Handtuch um die Hüften gebunden hat. Er liegt auf dem Bauch und stützt das Kinn in die hohlen Hände. Seine Bartstoppeln schimmern wie Messing, und die Locken auf seinem Kopfe sind blond.
»Wir in der vierten Sektion«, sagt er mit heiserer Stimme, »haben es nicht so gut gehabt wie ihr. Bei uns hat der Farny kommandiert. Ich sag dir, Mensch, der Kerl ist ganz verrückt. Du kannst direkt vor ihm stehen, und er sieht dich nicht – guckt an dir vorbei. Er hält sich für den größten Mann der ganzen Kompagnie, weil er die berühmte Kolonne mitgemacht hat – wißt ihr, ins Tafilalet, damals, neunzehnhundertachtzehn… Von zweihundertzwanzig Mann ist er allein mit seiner Ordonnanz und einem Korporal zurückgekommen. Wie der sich diesmal benommen hat!
Ich wette, daß er die Hosen genäßt hat, wie die Bicots angeritten sind.«
Er lacht, dann hört man einen leisen Knall – er hat den Stöpsel aus seiner Feldflasche gezogen – und nun trinkt er in langen, glucksenden Zügen.
Der Mond ist noch nicht aufgegangen, aber der Sternenschein ist so hell, daß die vorspringenden Wellblechdächer der Baracken samtene Schatten auf den Boden werfen. Ein Lachen steigt auf, es gurgelt wie ein Dorfbrunnen in einer stillen Sommernacht. Schweigen. Dann lacht Pfister: »Hahaha!… Hosen genäßt! Dem Petroff neben mir ist das wahr- und wahrhaftig passiert. Die Bicots fangen an zu schießen, und das ist ein gruusiges Klepfen… Takoouu… Grad an meinem Ohr vorbei pfeift's, und da hockt der Petroff ab vor Angscht, und wie er aufsteht, ist sein ganzer Hosenboden naß. Gestunken hat er, sag ich euch! ›Gang zum Tüüfu!‹ sag ich zu ihm. ›Gang di go putze!‹ Und er will wirklich zurückkriechen. Da sieht ihn der Hassa und jagt ihn wieder nach vorn. Aber der Russki in seiner Angst versteht ihn nicht und deutet nur immer auf seinen Hintern. Da hat auch der Hassa lachen müssen…«
Und Pfister macht das Lachen des Sergeanten nach. Er ist klein und rundlich, der Schweizer Pfister; so oft ist er, wegen seines heimatlichen Dialekts verspottet worden, daß, er sich Mühe gibt, hochdeutsch zu sprechen; manchmal gelingt es ihm sogar, Kraschinskys Berlinern nachzuahmen.
Korporal Cleman, von der ersten Sektion, ein dürrer Streber, mit einem Mund, rund und rot wie eine Kirsche, nach der seine krumme Schnabelnase stets zu picken scheint, er sieht aus wie ein verhungerter Kellner und behauptet, der letzte Sproß des Grafengeschlechtes derer von Mümmelsee zu sein. Er spricht wie ein Schmierenschauspieler in der Rolle eines preußischen Leutnants. »Ihr habt gut lachen!« sagt er, »Ihr von der windigen zweiten Sektion. Aber wir von der ersten! Immer mit dem Hauptmann zusammen, immer Nachhut! Wo uns die Biester doch schon auf den Fersen saßen. Kamen da 'ran, zwei auf 'nem Ferd, bis auf hundert Meter, machen kehrt und in Karriere zurück. Sagt der Alte plötzlich zu mir: ›Na, Kleener, haste gesehen, was die für weißen Dreck fallen lassen? Regarde! Là-bas… Richtig, nun sah ich's auch. Jeder, der gegen uns angeritten ist, hat einen zweiten hinten aufsitzen, und der läßt sich zu Boden fallen, bevor das Pferd kehrt macht. Und kreucht dann näher. Das Anschleichen vastehn se ja; man sieht se nich, bis sie janz nahe sind… Hm«, meint Cleman gedankenvoll, »es war wirklich merkwürdiger weißer Pferdedreck…«
»Pferdedreck! Wyssi Rossbolle!« lacht Pfister verzückt – er lacht gern, auch über die dümmsten Witze. Vor einem halben Jahr hat ihn der Huf eines Maultiers mitten auf die Stirn getroffen und dort eine rote Narbe hinterlassen. Vielleicht hat auch sein Gehirn unter dem Schlag gelitten. »Jaja, Witze reißen kann der Alte. Bei uns hat der Hassa nichts gemerkt. Er ist kurzsichtig. ›Sergeant!‹ sag ich zu ihm. ›Sergeant! Dort kriecht einer!‹ – ›Kümmern Sie sich um Angelegenheiten Ihrige!‹ seit de Löli. ›Nein‹, sag ich. ›Dort kriechen zwei Dutzend. Laß schießen, Sergeant, sonst ist fertig mit Pinard.‹ – ›Was erlauben Sie sich zu duzen Ihr Vorgesetztes?‹ Aber er hat kaum ausgeredet, da stehen kaum zwanzig Meter von uns ein Haufen Graumäntel auf, und sie brüllen. Da macht der Hassa ›demi tour à droite‹ und rennt zurück. Da sage ich: ›'s isch z'heiß zum springe‹, und kommandiere: ›Bajonette 'on!‹ Die andern folgen mir… Der Petroff hat
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