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Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion

Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion

Titel: Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Glauser
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sieht er lange in die Kerzenflamme, bläst sanft hinein, doch das behagt der Kerze nicht: sie weint weiße Tränen. »Die Eier«, erinnert sich Destange; er geht ins Nebenzimmer; bald summt das Wasser, Destange kommt mit einem Glas zurück, in dem die Dotter auf einer weißen Unterlage ruhen. Auch den Kessel hat er wieder mit Tee gefüllt, er läßt Lös daran riechen: Rum! »Und da hast du noch Chinin. Wenn du etwas brauchst, kannst du rufen.« Dann schließt er die Türe zum Nebenzimmer, beim Ausziehen pfeift er leise die Internationale, verstummt dann, das Bett kracht.
    Lös versucht, sich auf verschiedene Weise die Zeit zu vertreiben. Das Chinin spart er auf, er leckt nur daran, um der Süßigkeit des Tees einen bittern Hintergrund zu geben. Sorglos fühlt er sich, wie ein Kind, das spielt. Dann ordnet er sein Bett, klopft das Kissen zurecht, streicht die Decke glatt, entschließt sich sogar, die Hosen auszuziehen: sie sind starr vom geronnenen Blut. Ein kühler Wind streicht durch das Netz. Nun ist der Sommer bald zu Ende, der Regen wird kommen, Schnee und Kälte, wo werde ich im Winter sein?
    Die Kerze flackert; lange, lange starrt Lös in die Flamme. Sie ist wie ein Gefangener, der aufrecht steht, mit gefesselten Füßen, und den Oberkörper verzweifelt hin und her schleudert, um sich zu befreien. Aber die Befreiung naht: die Kerze ist zu Ende; erlöst versinkt die Flamme in der Dunkelheit. Nun kann die lange schlaflose Nacht beginnen, kein Licht wird mehr den Fluß der Gedanken hemmen.
    »Halt!« murmelt Lös. »Jetzt nehmen wir die beiden Tabletten, die wir verschmäht haben. Dann wird das Chinin den Schweiß durch die Poren treiben. Gesagt, getan!« sagt er wichtig, »In den Mund mit den Ptisanen, sie sind bitter, das schadet nichts. Einen Schluck Tee darauf, und er schmeckt nach Rum… Hmhm…« Dann bleibt er liegen, murmelt uralte komische Gedichte: »Das Perlhuhn zählt eins, zwei, drei, vier, was zählt es denn das kluge Tier, dort unter den dunklen Erlen? Es zählt von Wissensdrang gelückt (was es sowohl als uns entzückt) die Anzahl seiner Perlen…« Mit offenen Augen folgt er den Sternen, die in der Dunkelheit tanzen. Endlich rührt vor seinen Augen der weiße Zauberer Chinin die Trommel, beruhigt schließt der Kranke die Augen, und der Wirbel ist sein Schlummerlied…
    Seigneur, Seigneur,
nous sommes terriblement enfermés
                                Gide, Paludes

Der Kampf
    Aus den dumpfen Baracken haben sie die Matratzen ins Freie geschleppt. Um Mitternacht kommt ein spielender Wind von den Bergen und trocknet den Schweiß von den klebrigen Körpern. Aber der Wind bringt nur wenig Kühlung, denn zwischen den Bergen und dem Posten liegt die Ebene, und auf ihr lagert die Hitze des Tages; der Wind nimmt die Hitze mit sich und trägt sie in die Höfe…
    Sie können nicht schlafen; den Tag über haben sie geruht, nun vermissen sie die Müdigkeit, die all die Wochen vorher ihre Augen entzündet hat. Und der heiße Wind macht geschwätzig. Sie liegen auf dem Rücken und sprechen Worte in den Wind – und der Wind nimmt die Worte, spielt mit ihnen wie mit dem Staub, den er aufwirbelt. Doch er, der Staub, wird wieder zurückfallen auf die Erde – sei es, daß ein Regen ihn niederschlägt, sei es, daß er an den Blättern der Feigenbäume haften bleibt und mit ihnen, wenn sie welk sind, zu Boden fällt. Nie wird er ganz verloren gehen. Doch die Worte? – Der Wind pflückt sie von den Lippen (leicht sind die Worte, leichter als der Staub, leichter als die heiße Luft), und dann wird er sie verwehen. Wohin? Worte sind es nur, Worte, in die Nacht gesprochen… Stimmen haben sie geformt, die heiser geworden sind vom Wein und vom Durst und vom Rauch.
    Schilasky spricht: »Der Todd hat mir schon am Abend vor dem Kampf gesagt: ›Hör, morgen gibt's etwas! Ich hab im Café vier Araber getroffen, die wollten mich ausholen… Weißt du, daß wir nicht nur Camions mit Lebensmitteln bewachen müssen, sondern daß auch das Auto vom Zahlungsoffizier den Convoi begleiten wird?‹ – Natürlich wußt' ich das nicht, aber am Morgen war das kleine Auto wirklich da. ›Paß auf‹, sagt da der Todd noch zu mir, ›heut wird's stinken!‹ Und plötzlich steht der Lartigue neben uns und redet uns auf deutsch an: ›Daß ihr der Sektion keine Schande macht! Verliert mir nie die Ruh'! Verstanden?‹ Dann kehrt er sich um, und wir sehen, daß er einen ganz runden Rücken macht – wie ein alter Mann…

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