Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion
mich gar nicht herumstreiten, du bist mir viel zu dreckig…«
»Und du?… Und du?… Wenn ich auskramen wollte… Mit wem gingst noch nich in der Kompagnie, he?… Und zuletzt noch mit dem Todd, stimmt's oder stimmt's nicht?«
In der Tür der Baracke stand Korporal Koribout. Seine sonst sanfte Stimme tönte laut durch die Dunkelheit.
»Sie sollten sich schämen, Kraschinsky… Einem Verwundeten muß man Achtung bezeugen, das sage ich Ihnen. Obwohl ich finde, daß eine Typus wie die Ihrige vom Standpunkt des Gestaltenden höchst interessant ist und einer gewissen Ähnlichkeit mit einer Gestalt meines Landsmannes Dostojewski, den Sie wahrscheinlich nicht kennen, nicht ermangelt. Ich denke da zum Beispiel an Ferdyschtschenko aus dem Roman ›Der Idiot‹… Eine meisterhafte Typus…« Koribout setzte sich wieder und kritzelte in sein Büchlein.
Kraschinsky versuchte zu lachen. Aber das Schweigen, das ihn von allen Seiten einschloß, war so beklemmend, daß sein Gelächter in ein Husten überging – es war ihm, als sei sein Mund mit Staub gefüllt. Schilasky fuhr nach einer Pause fort, während der er erbittert an der Haut seines Daumennagels gekaut hatte:
»Der Leutnant schaute immer ins Tal hinunter. Wir standen auf einer Anhöhe. Im Tal war nichts zu sehen…
Die Luft war ganz klar und die Sonne noch gar nicht hoch. Ganz hinten, dort, wo der Weg anfängt zu steigen, sahen wir die erste Sektion. Der Leutnant suchte mit seinem Feldstecher die Berge rund um uns ab. Da plötzlich rief der Todd laut: ›Schilasky!‹ Ich schaute auf und sah gerade, wie er dem Leutnant einen Stoß gab mit der Schulter vor die Brust, so daß der Lartigue auf die Seite fiel und sich mit der Hand auf den Boden stützte. Ich sprang hinzu, denn ich verstand nicht, was dem Todd plötzlich eingefallen war, ob er den Verstand verloren hatte oder was sonst… Und kam gerade zur rechten Zeit, um den Todd aufzufangen. Ich mußte wohl sehr dumm dreingesehen haben…«
»Sonst siehst du ja blendend intelligent aus…« schob Kraschinsky ein, aber er wurde niedergezischt, und Cleman, der Mann mit dem Papageienschnabel, sagte laut, deutlich und so scharf, daß keine Widerrede aufkommen konnte:
»Halt deine ungewaschene Schnauze, Kraschinsky, sonst kannste was erleben!« – »Sehr richtig!« pflichtete Pfister bei, und Patschuli ließ in dieser Nacht zum erstenmal seine Stimme hören: »Ogottogottogott! Müßt ihr denn immer streiten! Seht doch die Sternschnuppen. Die Nacht ist so schöön. Und ihr wißt nur schmutzige Sachen zu erzählen, während doch der Wind so liebevoll durch meine Haare streicht…« »Kusch!« sagte Peschke. »Erzähl weiter, Schilasky!«
»Der Lartigue hat angefangen zu lachen – aber plötzlich stockt er, will aufstehen, da sagt der Todd mühsam und greift sich an die Schulter: ›Liegen bleiben, mon lieutenant! Tous couché!‹ ruft er noch, und da werfen sich alle hin. Ich laß den Todd auf den Boden gleiten und leg mich neben ihn. Mit vieler Mühe stellen wir die Mitrailleusen auf, der Leutnant gibt das Ziel an, die Distanz. Es geht alles wie geschmiert. ›Feu à volonté!‹ ruft der Leutnant, und da beginnen unsere Hotchkiss und es ist ein Lärm wie von einem Dutzend Nietmaschinen. – Der Todd ist ganz still dagelegen, und der Lartigue kriecht zu ihm. Er hat sein Taschenmesser in der Hand und schneidet die Knöpfe ab, vorn an Todds Waffenrock. Dann haben wir die Wunde gesehen: vorn, eine Handbreit von der Brustwarze nach oben, war nur ein kleines Loch, aber am Rücken ein Trichter… ein Trichter…« Schilasky stockte, es klang, als habe er den Schluckauf. »Ein Tri-hi-hichter, eine Spanne Durchmesser. Fleisch und Knochen waren herausgerissen und das kle-hebte (der Schluckauf kam wieder) an einem Stoffstück, das ein wenig weiter entfernt am Boden lag. ›Warum haben Sie das getan, Todd?‹ fragt der Leutnant. Ganz weiß ist mein Kaha-merad gewesen… Da schreit mich der Leutnant an, ich soll mein Hemd hergeben. Ich war froh, daß ich's am Tag zuvor gewaschen hatte – und so-ho-ho – und so war das Hemd sauber. Wie ein Doktor hat der Leutnant gearbeitet. Das Hemd zerfetzt er und stopft es in das Loch; dann mußt ich seine Satteltaschen holen (die Tiere standen in einer Mulde). Der Lartigue legt einen Verband an – zwei Binden hat er gebraucht und ein ganzes Fläschchen Jodtinktur. ›Nicht einmal Morphium hab ich‹, sagt der Leutnant und weint fast. Aber plötzlich fällt ihm etwas ein, und er lächelt.
Weitere Kostenlose Bücher