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Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion

Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion

Titel: Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Glauser
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können. Es habe nur eine Kerze gebrannt, die sei von Dunoyer gleich nach dem Raub ausgeblasen worden: Tumult. Gebrüll. Plötzlich habe Sitnikoff einen Schrei ausgestoßen.
    »Ich habe mich ruhig verhalten, nur beobachtend, denn mich interessieren die Ausbrüche der menschlichen Leidenschaft gar sehr«, erklärt Koribout weiter; er spricht affektiert, weil er vom eigenen Wert überzeugt ist, »aber ich mußte doch sehen, wie die Massenszene sich entwickelte, denn dies kann später für mich von ungeheurem Nutzen sein, wenn ich etwa dazu berufen werde, einen Film zu schaffen. Sie verstehen mich? Auch ein rein literarisches Interesse war dabei. Darum zündete ich die Kerze wieder an. Sitnikoff lag am Boden, und seine Lippen waren blau. Da befahl ich den anderen, ihr Gebrüll einzustellen, und meine Landsleute sorgten für eine schnelle Ausführung meines Befehls. Wir trugen meinen Kameraden hierher – nun, nun, was meinen Sie, ist weiter zu tun?«
    »Eine Kerze anzuzünden«, sagt Lös, möglichst trocken.
    »Natürlich, Sie haben recht. Se-e-ehr.«
    Koribout tappt ins andere Zimmer, tastet auf dem Tisch, kommt zurück. Die Kerze wird auf den metallenen Bettfuß geklebt, und deutet dann mit ihrem Flammenfinger nach den verschiedenen Winkeln des Zimmers, bevor sie zur Ruhe kommt.
    »Sie müssen mir dann noch Ihre Erlebnisse erzählen, Korporal, Ihre Erlebnisse, die seelischen, die vorangegangen sind Ihrem Entschluß, zu sterben. Ich glaube, daß ich besitze Einfühlungsvermögen genug, um mich ganz zu denken hinein in Ihre Situation, und ein schönes Motiv wäre es, zu gestalten Ihre Verzweiflung, finden Sie nicht? Denn Sie müssen wissen, nicht nur ein lyrisches Talent habe ich, oh nein, ich habe schon geschrieben einen – wie sagen Sie? – psychologischen Entwicklungsroman, meine Entwicklung, ja, bis zu meine Engagement in die Legion, in Konstantinopel. Sitnikoff habe ich vorgelesen ein paar Kapitel, und er hat gesagt, er findet es bedeutend. Bedeutend!« wiederholt Koribout mit Nachdruck. Dann wendet er sich dem Ohnmächtigen zu und spricht auf ihn ein mit derselben leisen, von sich überzeugten Stimme.
    »Nun, Freund, wache auf, lang genug hast du geschlafen. Du hast nicht hören wollen auf die guten Ratschläge, die ich dir habe gegeben. Schlage die Augen wieder auf, die Gefahr ist vorbei, aber du wirst trauern, weil die Rettung, die du versuchtest, mißglückt ist. Wache auf, sage ich dir, Freund!«
    Sitnikoff rührt sich nicht. Zum Glück kommt Destange zurück, fragt nicht lange, legt das Ohr auf die Brust des Ohnmächtigen, nickt: »Nichts Schlimmes…«, holt bedachtsam ein Fläschchen, dessen Hals er unter die Nase Sitnikoffs hält. Der scharfe Geruch von Ammoniak kühlt die Schwüle des Zimmers. Sitnikoff öffnet die Augen, stößt heftig Luft aus und blickt zwinkernd um sich. »Wo ist Pausanker?« ist seine erste Frage. – »Bei seinem Verderber!« antwortet pathetisch Koribout. Sitnikoff regt sich auf: das hätte man verhindern sollen, mit Gewalt, warum die Leute seiner Sektion nicht eingeschritten seien? Koribout, mitleidig lächelnd, klärt ihn auf. Sie sprechen deutsch miteinander, damit Lös sie verstehen kann; Sitnikoff begrüßt ihn nachträglich mit einem Händedruck. Dann wird langatmig beraten, was zu tun sei. Sitnikoff will nicht, daß der Capitaine etwas von dem Vorfall erfahre. Man dürfe den alten Mann nicht unnötig aufregen. So wird beschlossen, nur von einem vorübergehenden Unwohlsein Sitnikoffs zu sprechen und die Sektion in diesem Sinne zu instruieren.
    »Ihr hättet ruhig französisch sprechen können«, meint Destange, der sich beleidigt und ausgeschlossen fühlt. »Ich bin kein Blauer. Ich verrate nichts.« Koribout, den Mund höflich gerundet und mit den Knöcheln der Fäuste seinen Bart bügelnd, unternimmt es, den Krankenwärter zu versöhnen. Er ist unwiderstehlich. Umständlich wird Destange der Beschluß bekanntgegeben, nachdem man auch ihn in die Tragödie einer Menschenrettung eingeweiht hat. Er müsse verstehen, die Legion habe im allgemeinen zu schlechte Erfahrungen mit den Regulären gemacht, da schwinde eben das Vertrauen, aber Destange sehe aus wie ein guter Kamerad, er werde sich gewiß nicht in interne Angelegenheiten der Legion mischen? Destange kann nur den Kopf schütteln, so überwältigt ist er von diesem unerhörten Redeschwall. »Das sind mir ›Schädelstopfer‹, die sollten mir ins Parlament«, erklärte er, als die beiden das Zimmer verlassen haben. Dann

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