Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion
sich eine nette Ordonnanz auszusuchen.« Er verschluckte sich und mußte lange husten. Schweratmend fuhr er fort: »Ich sage Ihnen, Sergeant, diese Weiber! Vergiftet sind sie bis in die Knochen! Zwar kommt der ›Toubib‹ (und ich brauche Ihnen wohl nicht zu erklären, daß wir den Arzt hier ›Toubib‹ nennen) von Rich, um sie zu untersuchen. Aber was nützt das? Sie kümmern sich den Teufel drum, ob sie konsigniert sind oder nicht. Wenn sie nur Geld einnehmen! Und die Alte, die das B.M.C. führt…«
»B. M.C.?« unterbrach Hassa fragend.
»Man könnte meinen, Sie seien ein Neuling, lieber Hassa. Ah, Sie haben nur Tonkin gemacht? Dann, ja dann… Nun das B. M. C. ist das ›Bordel militaire de campagne‹. Untersteht der französischen Administration, auf Marsch werden ihm Zelte und Saumtiere zur Verfügung gestellt. B.M.C. Kürzer könnte man es nicht benennen… Die Alte war seinerzeit die Freundin des Sergeanten, der vor dem Vorgänger jenes Lös die Administration führte. Ein dickes Weib!… Aber Liebe macht blind – sagt man nicht so? Der Sergeant nannte die Alte: ›Mutatschu Guelbi!‹ – ›Mein kleines Herz!‹ Prächtig, nicht wahr?«
Der alte Kainz zeigte auf einen Bau, links am Rande des großen Platzes – Feigenbäume wuchsen hinter seinen Mauern. Der Bau glich in der Form dem Posten – nur war er kleiner und nicht von drei Reihen Stacheldraht umgeben. »Schau«, sagte der Metzger. »Das dort ist das ›bureau arabe‹ – Dort darf sich der Bicot über uns beschweren…« Ein Trupp grauer Kapuzenmäntel flatterte aus dem Tor, zerstreute, ballte sich dann wieder zu einer festen Masse… Vor ihr spazierte ein schlanker Mann hin und her, barhaupt, aber die schwarzblauen Haare wirkten wie ein stählerner Kettenhelm.
»Das is der Capitaine Materne«, sagte Kainz. »Auch ein Bicot… Ein Araber… Sein Vater soll Scheich gewesen sein in der Gegend von Rabat – und reich is er a, der Materne… Weißt, unser Alter muß ihm folgen, denn der Materne is Platzkommandant –. Die grauen Leit hinter ihm des san Maghzen; die wern aufbotten ›zu Aufklärungsdiensten‹, wenn mir unterwegs san… Aber der Materne zahlt sie schlecht. Darum muß er si mit eana streiten. Aber ihm kann nix passieren. Denn in dem Bau dort liegen no Gums – marokkanische Kavallerie – aber eigentlich folgen's nur ihrem Sultan in Fez. Das is auch so a G'schicht, wo niemand sich auskennt. Mir kommen gut aus mit die Gums – denn unser Korporal, der Lös, der gibt eane guets G'wicht. – Das Häuserl, das du dort siehst, is das Schlachthaus. Da geh i jeden Morgen meine acht Schaf abstechen… Was für Viecher! Haut und Knochen! I sag dir: zwölf Kilo Lebendgewicht. Und Würm in der Leber! So groß!« Kainz streckte den Zeigefinger aus.
Vor dem Eingangstor war in die drei Reihen Stacheldraht eine Öffnung geschnitten. Aber an der Seite standen Gestelle, ebenfalls mit Stacheldraht überzogen, die genau in die Öffnung paßten. An der Mauerecke, die dem Eingang am nächsten war, drohte das Rohr einer Kanone gegen die Berge im Süden, und dort war der Himmel hell. »Die große Sahara…!« murmelte der alte Kainz noch mit zahnlosem Mund und sprach das Wort wie den bekannten jüdischen Vornamen aus. Dann ließ er Todd absteigen, nahm das Maultier am Halfter und folgte den andern zum Park.
Furchtsam drängten sich die Neuen zu einem Häuflein zusammen, mitten im Hof, den vier niedere Baracken einsäumten. Der Adjutant hatte sich unter einem vorspringenden Dächlein einen schattigen Platz ausgesucht und saß dort mit hochgezogenen Knien, die Hände auf den Schienbeinen gefaltet. Hassa flüsterte aufgeregt auf den buckligen Sergeanten Schützendorf ein, der schmierig aussah. An seinem Uniformrock fehlten Knöpfe, und seine Wangen waren unrasiert. Er kam aus Saida.
Plötzlich rollte um die Ecke der einen Baracke eine khakifarbene Kugel, die viel Staub aufwirbelte. Etwas schien ihren Lauf zu hemmen, denn sie hielt an und war ein kleiner, sehr kleiner und dicker Mann mit zerknitterter Uniform. Die Policemütze, ohne Schirm, aus dickem, resedagrünen Stoff, war tief über den Kopf gezogen. Die Wangen sahen aus wie rote Polster aus einem Puppenbett… Der Adjutant stand gemütlich auf, und sein Kommando: »Auf zwei Reihen!« klang mehr wie eine im Gesprächston gegebene Aufforderung. »Garde à…«, sagte er noch, aber das ›vous‹ mußte er verschlucken, denn die dicke Gestalt winkte ab mit müder Gebärde. Die Neuen betrachteten
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