Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion
weniger nackte Frauen darstellend. In diesem Saale roch es wie in einer Schnapsbrennerei.
Am obern Ende des Tisches hockte der alte Adjutant Cattaneo. Er hatte einen verbogenen Zwicker auf der Nase und studierte eine Nummer des ›Fantasio‹. Neben ihm saß der blasse Hassa, der Eigentümer des Blattes, und machte devot auf die pikantesten Stellen aufmerksam, las die Untertitel laut vor, entschuldigte sich bisweilen, dies zu tun, aber laut vorgetragen übten sie mehr Wirkung aus. Der Adjutant war glücklich, daß seine Unfähigkeit, Gedrucktes zu lesen, so höflich verschleiert wurde. Neben Hassa saß Sitnikoff und las in einem russischen Buch. Die jüngeren Sergeanten, Wieland, Hühnerwald und andere hielten sich mehr an Farny, der am unteren Ende der Tafel thronte.
Als das Essen vorbei war, brachte der Koch den schwarzen Kaffee. Sitnikoff trank schnell seine Tasse leer, wollte aufstehen und sich verabschieden. Da hielt ihn die verstaubte Stimme Farnys, die trotz ihrer Heiserkeit sehr durchdringend war, auf.
Farny sagte: »Ich will Pausanker zur Ordonnanz. Er ist in Ihrer Sektion, Sergeant Sitnikoff.« (Alle Sergeanten siezen Sitnikoff.) »Wollen Sie es dem Capitaine mitteilen, oder soll ich es tun?« Farny sprach deutsch, er war Elsässer. Es war eigentlich eine Höflichkeit, die Farny dem Sergeanten Sitnikoff damit erwies, der das Französische nur mangelhaft beherrschte. Im gleichen Augenblick ließ der Adjutant ein rasselndes Lachen hören, das jedes andere Geräusch erstickte. Er hatte einen Witz verstanden.
Sitnikoff antwortete, aber Farny verstand die Antwort nicht. Er beugte sich vor und hielt die Hand hinters Ohr. Sitnikoff wiederholte seine Worte, er sprach französisch: davon könne nicht die Rede sein. Er werde sich diesem Projekt widersetzen. Farny lachte. Die Haut seines Gesichtes, die wie rauhes rotes Leder aussah, verfärbte sich und nahm eine hellviolette Tönung an. Die Augen blieben weit aufgerissen. Warum der Sergeant sich weigere? Er sprach nun auch französisch. Ob Farny ihm nicht die Auseinandersetzung der Gründe ersparen wolle. – Nein, Farny wollte nicht. – Schweigen. – Sitnikoff hielt die Lehne seines Stuhles umklammert. Dann ließ er seinen Blick langsam über die Anwesenden gehen, so, als wolle er feststellen, wer etwa noch zu ihm halten würde. Aber überall senkten sich die Köpfe vor seinem Blick. Nur der Adjutant fixierte ihn mit einem breiten Lächeln.
Farnys Fäuste lagen auf dem Tisch, die Daumen als Verschluß darauf. Er wartete. Noch einmal fragte Sitnikoff, ob es nicht besser sei, wenn er die Gründe, die seine Weigerung bestimmten, für sich behalten könne. Hierauf erlosch das Feixen des Adjutanten; der dicke Mann schien anzuschwellen, wie ein wütender Truthahn. Sitnikoff solle seine Überheblichkeiten nicht gar zu deutlich zeigen. Er sei nicht mehr als seine Kameraden, polterte er, und solle Rede und Antwort stehen. Farny sei ein alter Sergeant, der auch das Recht habe, einen Wunsch zu äußern. Vor Erregung bekam er den Schluckauf.
Farny beachtete die Unterstützung nicht. Unentwegt hielt er seine leeren Augen auf Sitnikoff gerichtet. Dieser zog mit einem Ruck den Stuhl wieder zu sich heran und setzte sich. Das wirkte verblüffend. Hassa rückte ab, auf der anderen Seite tat Wieland das Gleiche. Nun erklärte sich Sitnikoff, in wohlgesetzter Rede; er gab sich sichtlich Mühe, keine Fehler zu machen, er wollte jede Spur von Lächerlichkeit vermeiden. Es sei doch allgemein bekannt, was Sergeant Farny mit seinen Ordonnanzen treibe. Solange es sich um Leute wie Patschuli handle, an denen doch nichts zu verderben sei, habe er keine Einwände zu machen, aber wenn junge unschuldige Burschen, wie dieser Pausanker in Frage kämen, fühle er sich verantwortlich. Dieser Pausanker gehöre zu seiner Sektion, er fühle sich verpflichtet, ihn zu schützen. Jetzt sei er noch gesund, könne später in seine Heimat zurück und vielleicht wieder den Weg zu Leben und Glück finden (bei diesen Worten lachte Cattaneo wieder sein trommelndes Lachen, Hassa sekundierte diskret, Farny blieb steinern). Darum sei er gegen den Wechsel und werde auch seinen Einfluß beim Capitaine in dieser Richtung geltend machen, weil Farny angefault sei. Die letzten Worte dehnte er. Sie zogen gleichsam einen Strich durch das Schweigen.
Es erhob sich lautes Geschrei und Füßegetrappel. Sie sprangen alle auf, beugten sich über den Tisch, redeten auf Sitnikoff ein, schlugen vor ihm mit den Fäusten auf
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