Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion
ließ der Adjutant auf die gleichen Scheiben schießen. Das Geknatter der verschiedenen Waffen klang recht kläglich unter dem hohen heißen Himmel.
Langsam füllte sich der Posten wieder um die Mittagszeit. Ein erneutes Pfeifen: langsam trabten die Männer zur Küche, um dort Kartoffeln zu schälen. War dies erledigt, so schlurften sie in die Baracken zurück, um Schatten zu suchen. Es pfiff zum Essen. Wenig Abwechslung gab es; Schafragout oder Büchsenfleisch, dazu Reis oder Bohnen oder Linsen. Aber das Wochenmenu, das nach Fez geschickt wurde, wies wunderbare Speisen auf: das ewige Ragout nannte sich Irish stew, Mouton sauté; Rôti de mouton, Côtelettes d'agneau. Und Oberst Jaquelin war zufrieden, wenn er dies las. Die Legion hatte gut zu essen.
Bis gegen halb vier schlief dann der Posten. Da war der Abend schon da; man reinigte ein wenig die Gewehre. Die Wache zog auf, es pfiff zum Tränken und Füttern, die Menschen aßen zu Nacht, die Russen sangen, die Türken strichen herum und suchten nach Opfern, um sie beim Spiel auszuplündern, es gab Geschrei, der Capitaine machte eine Runde, Leutnant Lartigue ging seine Freundin besuchen, Sergeant Farny suchte nach seiner Ordonnanz (sie wechselte oft, war aber stets jung und hatte eine weiche glatte Haut).
Diese Ordonnanz des Sergeanten Farny bildete eigentlich, mehr noch als des Leutnants Freundin, Lös' Reichtum oder Korporal Ackermanns Verwundung, den Hauptteil, oder genauer ausgedrückt, das Feuilleton der gesprochenen Zeitung des Postens. Denn Farny, eine zähe, eher kleine Gestalt, war durch sein Schicksal, das fast mit dem der Kompagnie zusammenfiel, eine bedeutende Persönlichkeit. War er nicht einer der wenigen Überlebenden aus der großen Katastrophe, welche die Kompagnie vor nun bald drei Jahren heimgesucht hatte? Und obwohl dieser Sergeant Farny von der geistigen Aristokratie (Sitnikoff gehörte dazu, Lös und der Leutnant Lartigue) für herzlich unbedeutend und uninteressant gehalten wurde, gelang es ihm doch durch sein schlaues Verhalten, großen Einfluß auf einfache Gemüter auszuüben. Gerade weil seine Schlauheit keiner bewußten Überlegung entsprang, sondern rein instinktiv war, verhalf sie ihm zu jener Macht, die er gern mißbrauchte.
Sergeant Farny hatte den Befehl über die vierte Sektion, und alle seine Untergebenen fürchteten ihn, vorab Sergeant Wieland, ein ewig keuchender, fetter Münchener, der von allen ausgelacht wurde. Nur Korporal Ackermann ließ sich von Farny nicht einschüchtern. Die beiden haßten sich, und Farny hetzte unter seinen Leuten gegen den Korporal.
Die Art des Terrors, die Farny ausübte, war versteckt und hinterlistig. Es waren vor allem seine Augen, die Furcht einflößten. Die Iris war grau und schmal, mit vielen winzigen gelben Tupfen. Darum lag die Hornhaut, durchzogen von vielen roten Äderchen. Aber was diese Augen eigentlich so Entsetzen erregend machte, konnte niemand recht sagen. Sie waren wohl leer, ganz und gar ausdruckslos, und auch wenn man fühlte, daß der Sergeant innerlich vor Wut geschüttelt wurde, die Augen blieben sich gleich. Das Gesicht war bei dieser Gelegenheit verzerrt, der Mund belferte, die Wangen zuckten. Aber während die Wut sich bis zu heiseren Schreien steigerte, blieben die Augen weit offen, die Lider schienen festgewachsen und senkten sich auch nicht ein einziges Mal über die Augäpfel, deren Beschaffenheit am ehesten an trübe Gelatine erinnerte.
Es war etwa drei Tage nach der Verwundung Ackermanns, als ein derartiger Wutanfall Farnys dem Posten wieder Gesprächsstoff lieferte. Pausanker, ein weicher Junge aus der Mitrailleusensektion, so jung, daß er sich noch nicht zu rasieren brauchte (der schwache blonde Flaum auf seinen Wangen war nur zu sehen, wenn er die Sonne im Rücken hatte), hatte Farnys Wohlgefallen erregt. Er wollte ihn als Ordonnanz. Bisher hatte Patschuli diese Stelle bekleidet, und er war willig gewesen, aber nicht treu. Und Sergeant Farny war sehr eifersüchtig. Während des Mittagessens in der Messe der Unteroffiziere begann der Kampf. Diese Messe, ein kleines unabhängiges Gebäude, lag an der Umfassungsmauer der Verpflegung im Schatten des Turmes. Sie war in zwei Räume geteilt, einen kleineren: die Küche (denn die Sergeanten aßen nur auf dem Marsch mit der Mannschaft) und einen größeren, der als Speisesaal diente. Dieser war lang, ein einziger schmaler Tisch stand darin. An den Wänden klebten Zeichnungen aus der ›Vie parisienne‹, mehr oder
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