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Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion

Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion

Titel: Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Glauser
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wieder da und höhnen ihn. Er hört ihre Worte, sieht das zahnlose Grinsen des alten Kainz. Und wie um Rettung zu finden, als könne er ihre Anwesenheit abstreifen, wie ein Kleid, beginnt er sich auszuziehen. Wirft weit weg die Uniformstücke, die Schuhe, die Unterkleider. Bis er, endlich nackt, ein Mondbad nehmen kann, das ihn befreit. Aber der Körper neben ihm ist kühl. Und ihn zu fühlen, vermag das Denken zu bannen, auf Augenblicke.
    Hernach aber ist die Traurigkeit noch größer, und die Einsamkeit wächst und der Ekel. Wolkenfetzen sind graue Abwaschlappen, ein übler Geschmack von fremder Haut bleibt im Munde zurück. Die Angst wächst wieder, vor allem: vor der Zukunft, dem anbrechenden Tag, vor der Krankheit. Schweigend zieht Lös sich wieder an. Er stößt das Mädchen zurück, das ihm helfen will, das fragt, ob es ihm etwas bringen könne. Heißen Tee? Oder Kaffee? Er schüttelt nur den Kopf. Dann stolpert er eine dunkle Treppe hinunter.
    Noch nie ist ihm der Weg zum Posten so lang erschienen. Er springt über die Mauer. Die Stallwache schläft noch immer. Aber die Maultiere sind alle wach. Sie wiehern leise, stoßen kleine Schreie aus, wie Frauen, die gekitzelt werden, scheinen zu lachen und sich komische Geschichten zuzuflüstern.
    Wie Sterbende liegen die Schläfer im Posten verstreut, sie röcheln aus weitgeöffneten Mündern. Dazwischen tönt das laute Traumlallen einzelner. Ein dicker Gestank füllt die Schluchten zwischen den Baracken aus: Schweiß und faulendes Fleisch und die Ausdünstungen der offenen Latrinen.
    In einer Ecke der Kammer steht die Flasche mit dem Kartoffelschnaps. Lös handelt automatisch. Die Blechtasse füllen, die Flüssigkeit wie eine Medizin hinunterleeren, den Mund verziehen, laut »Ah« sagen, als sei ein anderer da, der zuhöre und beruhigt werden müsse. Dann wie ein Klotz sich hinfallen lassen auf die Matratze, die Kraft reicht gerade noch aus, die Decken um sich wickeln, denn es beginnt kühl zu werden. Und endlich in den tiefen Schacht versinken, der schwarz ist und kühl und stumm.
    Bis spitze Strahlen das unbeschützte Gesicht stechen, das Trillern einer Pfeife schmerzhaft die Ohren verwundet.
    Und ein neuer Tag beginnt.

Der Ausmarsch
    Die Tage zogen über den kleinen Posten hin, und nichts unterbrach ihre Gleichförmigkeit. Es pfiff am Morgen zum Reveil, schon eilten die dazu Bestimmten zur Küche, den Kaffee zu holen, brachten ihn zurück, während hinter ihnen, wie Fahnen, der Geruch des Getränkes wehte. Ein neuer Pfiff: ohne Sattel wurden die Maulesel zum Fluß geritten, zur Tränke. Der Sergeant vom Wochendienst lief herum: Krankenappell. Dabei war der Capitaine zugegen, denn der Arzt kam nur alle drei Wochen. Der Capitaine war gutmütig. Er verordnete wenig Medizin, weil er nur Aspirin und Jodtinktur kannte. Auch Chinin. Aber freigebig war er mit Ruhe. Zwei Tage dienstfrei, drei Tage dienstfrei. War es dann noch nicht besser, so wurde die Temperatur gemessen. Dann gab es Chinin und weiter Ruhe. Nützte alles nichts, so kam man nach Rich ins Lazarett. Die Camions, die von Zeit zu Zeit den Posten besuchten, nahmen die Kranken mit. War jemand nicht transportfähig, so wurde der Major Bergeret telephonisch angerufen. Er kam dann am Nachmittag, hoch zu Roß, ein sanfter, schwarzbärtiger Mann, untersuchte, tröstete, ließ Tee kochen, jagte den Krankenwärter aus seiner Faulheit auf, trank mit den Offizieren eine Flasche Wein und ritt am Abend wieder fort.
    Um neun Uhr war Rapport. Die Kompagnie trat an, bildete ein Karree. Der Capitaine spazierte das Viereck ab, tätschelte eine Wange, kniff dort einen Arm. Führte das Stöckchen zum Mützenschild: abtreten.
    Die Mitrailleusensektion ging schießen. Leutnant Lartigue ließ irgendwo in der Ebene Scheiben aufstellen. Das Maschinengewehr wurde auseinandergenommen, zusammengesetzt, zuerst mit offenen Augen, dann mit verbundenen, der Leutnant ließ die Theorie wiederholen: »La mitrailleuse Hotchkiss est une arme automatique fonctionnant par l'échappement des gaz.« Der Leutnant nickte dazu, die Leute plapperten wie gutdressierte Papageien. Aber sie kannten den ›piston moteur‹ und den ›ressort de détente‹, denn sie hatten ja schon zwei Jahre Dienst.
    Dann schoß man eine Bande ab gegen die Scheiben in der Tiefe, der Leutnant kontrollierte die Einschläge mit dem Feldstecher: die Staubwolken der einschlagenden Kugeln waren übrigens auch mit freiem Auge leicht zu erkennen. Auf einem Hügel weiter links

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