Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion
vorkam. »Ich war ja gar nicht saufen.«
»Gut, gut, das wird man ja an Ihrer Aufführung merken. Haben Sie genug Brot für zwei Tage? Sind auch Biskuits da? Und die Konserven? Was haben Sie da? Bohnen? Kompott? Sie wissen, ich halte sehr darauf, daß meine Leute auf dem Marsch gutes Essen haben. Und Fleisch? Frisches Fleisch für zwei Tage? Chef!« brüllte er plötzlich. »Wo ist der Chef wieder? Der Chef hat die Bestellzettel. Ich habe sie schon unterschrieben, mich trifft keine Schuld, wenn es Verspätung geben sollte. Auf was warten Sie, Lös? In fünf Stunden ist Abmarsch, Sie haben gerade noch Zeit.«
»Aber ich muß doch zuerst die Scheine haben«, entschuldigte sich Lös weinerlich. Ein plötzlicher Haß auf Zeno ergriff ihn; sie war schuld, daß er zu spät gekommen war.
Narcisse kam mit langen Schritten (geziert wirkten sie besonders durch die allzu bewußte Inanspruchnahme der Hüften) auf den Capitaine zu. Er hielt eine Rolle Schriftstücke in der Hand; diese führte er grüßend gegen die Mütze und markierte das Strammstehen durch ein bequemes Sammeln der Haxen. »Wir haben noch Zeit, mon Capitaine, es wird alles in Ordnung kommen.«
Diese beruhigenden Worte schienen Capitaine Chaberts aufgeregten Schnurrbart zu glätten. Auch die dicken Hände, die so hilflos in der Luft herumgeflogen waren, vergruben sich beruhigt in den Hosentaschen.
»Mach's gut, mein Kleiner, ich habe Vertrauen zu dir. Und auch zu diesem da.« Er wies mit der Schulter nach Lös. Dann aber wurde er von einer neuen Beunruhigung besessen. »Wo ist der Leutnant Lartigue? Ich brauche den Leutnant Lartigue. Er soll die Sektionen inspizieren, die Maulesel kontrollieren. Und dann vergeßt mir nicht die Gerste für 120 Tiere und für zwei Tage. Wir können dann in Bou-Denib wieder fassen, wenn wir dort Halt machen.«
Er rollte fort.
»Frank muß die Nacht durcharbeiten«, sagte Narcisse sachlich. »Dann sagst du dem Kainz, er soll fünf Schafe schlachten. Jetzt gleich. Hast du zwei Lämmer? Ja? Die läßt du backen. Eins für den Capitaine, eines für Lartigue. Das wird den Alten wieder gnädig stimmen, und der Lartigue ist ja dein besonderer Freund. Hoho. Aber, nun kommt das Aber… Wir sind doch Freunde. Ich helfe dir, und du hilfst mir, nicht wahr? Also: ich brauche fünfzig Kilo Mehl und dreißig Liter Wein, die fehlen mir, ohne Bon, natürlich. Fehlen einfach, fort, verschwunden…« Er wedelte mit seinen Händen wie ein bettelnder Hund und vollführte dazu auf den Zehenspitzen kleine Sätze. Doch machte dieser kindliche Humor auf Lös den Eindruck des Gezwungenen. Er gehörte zum System des Chefs und sollte ausdrücken: »Ich bitte dich um eine Gefälligkeit, aber dafür bringe ich dich zum Lachen. Eigentlich sind wir jetzt quitt, und wenn ich dir später helfe, bist du schwer in meiner Schuld.«
Da kam auch schon Baskakoff, der Küchenkorporal, um die Ecke, und der Chef winkte eifrig. Baskakoff lief und stand sogleich stramm, der weiche Mann mit den dicken Augenlidern und der zu fleischigen Unterlippe. Narcisse aber blickte unendlich vornehm auf seinen Untergebenen, seine Befehle waren nur ein schwacher Hauch durch die Nase: »Nehmen Sie das Mehl gleich mit, das der Korporal Ihnen hier übergeben wird, und dann kommen Sie noch einmal, aber wenn möglich mit einem Wägelchen und einigen Mann, um den Rest zu empfangen.« Und um Baskakoff zu ärgern, legte er freundschaftlich den Arm um Lös' Schultern: »Komm, mein lieber Alter, wir wollen schnell eine kleine Stärkung zu uns nehmen. Ich habe da etwas Vorzügliches in meiner Tasche.« Er ging ein paar wiegende Schritte, machte kehrt, blinzelte durch die Lidspalten auf den schier festgewachsenen Baskakoff und ließ aus Sternenhöhe die Worte träufeln: »Ich besinne mich gerade, mein Freund Lös hat augenblicklich Wichtigeres zu tun. Holen Sie Ihre Mannschaft zusammen und den Wagen, es wird dann alles zusammen ausgegeben.«
Und als Baskakoff noch immer stand: »Sie sollten schon längst fort sein, wenn Sie nicht schneller machen, will ich dafür sorgen, daß Sie morgen das Laufen lernen.« Da lief auch Baskakoff schon, und sein muskelloses Fleisch schwabbelte in der zu engen Uniform.
Der Chef hatte richtigen echten Whisky, Black and White, sagte er und schnalzte mit den Lippen, obwohl er die englischen Worte französisch aussprach. Er füllte den kleinen Metallbecher, der die Feldflasche schloß, bot Lös an, kippte selbst und machte ein zufriedenes Gesicht. »Wenn du's nicht
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