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Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion

Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion

Titel: Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Glauser
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die Tischplatte, drohten ihm mit Prügel.
    Nur Cattaneo und Farny blieben ruhig sitzen. Der Adjutant hatte wieder den Fantasio zu sich herangezogen und vertiefte sich in eine Zeichnung.
    Es schien, als sei Farnys Ruhe nur gemacht. Seine ganze Haltung wirkte verkrampft, die Kaumuskeln auf seinen Backen traten scharf hervor, die Haut seiner Stirne war gewellt, als bereite ihm das Aufreißen der Augen große Schwierigkeiten. Dann löste sich der Krampf, er sprang auf. Da schwiegen die anderen und setzten sich. Manche duckten sich unwillkürlich. Sein verfärbtes Gesicht war wüst. Er schluckte. Dann brach er los. Er stand dicht vor Sitnikoff, den er kaum überragte, obwohl Sitnikoff saß. Farny schrie nicht, denn seine Stimmbänder waren krank. Die Zuhörer verstanden nicht alles, was er sagte, die Schimpfworte überstürzten sich. Aber während seiner ganzen Rede blieben die Augen weit offen, und diese offenen Augen schienen auf Sitnikoff mehr zu wirken als der ein wenig hilflose Wutausbruch, denn plötzlich legte er die Stirn auf seine Hände und senkte den Kopf. Farny schien über seinen Sieg erfreut und ging an seinen Platz zurück. Der Koch mußte auf seinen Befehl Pausanker holen. Es herrschte wieder Stille im Raum bis zur Ankunft des Jungen.
    Dieser blieb an der Tür stehen und wagte nicht die Schwelle zu überschreiten. Sonnenstrahlen fielen senkrecht auf ihn, so daß er für die im Schatten Sitzenden sehr hell aussah. Die langen Wimpern, die seine sauberen Augen einsäumten, warfen lichte Schatten auf seine Wangen.
    Allzu bieder tönte des Adjutanten Aufforderung, näher zu treten. Und als der Junge über die Schwelle stolperte, verschlug ihm die Schnapsluft nicht nur den Atem, nein, sie schien auch zersetzend auf ihn zu wirken. Die Miene des Gesichtes wurde blöde, der Mund erschlaffte, und die Augen bekamen ein schmieriges Glänzen. Zuerst war ihr Blick an Sitnikoff hängen geblieben, begreiflicherweise, denn dieser war sein Vorgesetzter. Aber dann floh der Blick, lief schnell über die Köpfe der anderen und wurde endgültig von Farny abgefangen. Farny hatte wieder seine Lieblingsstellung eingenommen, Fäuste auf dem Tisch. Er lächelte unangenehm unter seinem dünnen Schnurrbart. »Willst du Ordonnanz werden bei mir«? fragte er auf deutsch. »Weißt du, ich zahle gut. Kannst dreißig Franken im Monat haben, mehr als der Putzer vom Capitaine, und ich gebe noch gute Trinkgelder, wenn du folgsam bist.«
    »Tu's nicht, Pausanker. Du weißt, was ich dir gesagt habe«, sagte Sitnikoff leise. Aber ein Sturm von Zurechtweisungen brauste gegen ihn.
    »Halten Sie Ihr Maul«, fauchte Farny.
    Pausanker konnte seinen Blick nicht aushaken. Er saß fest. Farny hatte ihn auch während der Zurechtweisung Sitnikoffs nicht losgelassen. Der Junge keuchte. Es schien ihm übel zu werden. Ein Ausdruck des Ekels trat in sein Gesicht. »Ja«, sagte er leise, »ich will gerne.«
    »Na, also«, sagte Farny, faltete die Hände und drehte die Daumen umeinander. Eine ganze Weile blieb es still. Alles starrte auf Farnys Hände, die wirbelnden Daumen zogen die Aufmerksamkeit an. Da brach Sitnikoff den Bann. »Gute Verdauung«, sagte er laut.
    Dann ging er, Leutnant Lartigue sein Leid klagen. Er erhielt das Versprechen, daß der Capitaine die Sache erfahren solle.
    Aber noch vor dem Abend kam telephonischer Bericht von Bou-Denib, die Kompagnie habe mit drei Sektionen und den Maschinengewehren über Atchana nach Ain-Kser zu marschieren, um dort Camions in Empfang zu nehmen und diese dann nach Midelt zu begleiten. Eine Sektion solle nur bis Atchana mitmarschieren und dort zum Kalkbrennen bleiben.
    Lös war den ganzen Nachmittag im Ksar gewesen. Als er um sieben Uhr zurückkehrte, stand in der Mitte des Hofes Capitaine Chabert und fluchte aufgeregt auf den alten Kainz ein, der mit immer gleichbleibender Geduld die Worte: »Oui, mon Capitaine« aus seinem zahnlosen Mund spuckte. Lös war nicht unvorbereitet. Pierrard war auf Wache und hatte ihm die Neuigkeit mitgeteilt.
    »Wo waren Sie, Lös?« schrie Chabert aufgeregt. »Ich warte schon drei Stunden auf Sie. Ich habe Sie überall suchen lassen. Sie haben im Posten zu bleiben und sich nicht ohne Erlaubnis zu entfernen, um irgendwo in einer Ecke kleine Mädchen zu verführen. Sie müssen die Verteilung leiten. Können Sie das überhaupt? Oder sind Sie besoffen? Antworten Sie?«
    »Ich habe nur einen Spaziergang gemacht, mon Capitaine«, entschuldigte sich Lös, der sich schuldbewußt und klein

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