Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion
die schmalen Schultern, rundete den spitzzulaufenden Körper nach oben ab; die goldenen Knöpfe des Waffenrocks wirkten wie Kerzenreflexe. Die Hosen verengten sich, bis sie, knapp oberhalb der Knöchel, die schmalen Gelenke umspannten. Die winzigen Füße steckten in getalkten Tennisschuhen. Einzig der gerade Rohrstock, der an einer Schlaufe am Handgelenk hing, war hellgelb. Übrigens war Leutnant Mauriot der Sohn eines Brigadegenerals. Achtzehnjährig, zu Beginn des Krieges, hatte er im Büro eines Gefangenenlagers gearbeitet und viel mit deutschen Offizieren verkehrt. Von diesen mochte sein Kommandoton stammen, den er offenbar für vornehm hielt.
Nur wenig Leute waren im Posten zurückgeblieben: der Chef, Smith, der Schneiderkorporal, Sergeant Baguelin, der die Post und das Telephon besorgte, Korporal Baskakoff in der Küche mit einem Koch, dem Wiener Veitl, und in der Verwaltung Lös mit dem alten Kainz und Frank, dem Bäcker. Dann waren noch zwei Ordonnanzen vorhanden, der dicke Pullmann, der den Leutnant Mauriot betreute, ein blonder schweigsamer Frankfurter, mit Händen, deren Finger wie rohe Knochen aussahen; zwischen den Pusteln seiner Wangen wuchsen weißliche Härchen, und Mehmed, ein Türke, schweigsam und schielend, der für den Chef wusch.
Lös kam erst um die Mittagszeit aus dem Ksar zurück. Die Stille des Postens, nach dem lärmenden Aufbruch am Morgen, schien ungewohnt und feindlich. Stumm standen die Baracken. Am Tore wachte einsam Mehmed, die Ordonnanz des Chefs, zog mechanisch an einer Spitze seines Chinesenschnurrbarts und sah nicht auf.
Im Hofe der Verpflegung ging Leutnant Mauriot auf und ab und klopfte mit dem Rohrstock imaginären Staub aus seinen Hosen.
»Wo sind Sie gewesen?« Er fragte mit leiser Stimme und blickte nicht auf, während er die ruhelose Wanderung fortsetzte.
Er sei beim Juden gewesen, erwiderte Lös, aber die Antwort kam unsicher; ein Beben des Unterkiefers mochte wohl die Lüge verraten haben, denn der Leutnant blickte kurz auf, und der Ausdruck seiner gelben Augen wirkte ungemütlich. Lös schwieg.
Bei welchem Juden? wollte der Leutnant wissen. Der die Schafe liefere? Lös nickte. – Nun, das werde ja leicht nachzukontrollieren sein, meinte der Leutnant, und die glatte Haut oberhalb des Mundes warf senkrechte Falten. Der Korporal werde sich von nun an vor jedem Ausgang bei ihm, dem Leutnant, melden. Und in seiner Abwesenheit beim Chef. Verstanden? Die Stimme war lauter geworden, blieb aber dünn. Die Wort wurden aneinandergereiht und schienen als langer Faden aus der Nase zu quellen.
Lös nickte.
Dann seien noch die Rechnungen vom letzten Monat zu revidieren, fuhr Mauriot fort, immer mit der gleichen hohen Stimme, ohne Modulationen. Bou-Denib habe reklamiert. Sei nicht auch Geld abzuliefern? Lös schüttelte den Kopf. Die Spaniolen damals, die mit der Gerste gekommen seien, hätten also nichts gekauft? Wieder schüttelte Lös schweigend den Kopf. So? (Sehr gedehntes O.) Merkwürdig. Die Hände des Leutnants waren auf dem Rücken zusammengelegt, der Stock stak aufrecht darin und trommelte leise gegen den Tropenhelm. »Nun ja!«
Ein Aufblicken, das Lös mühsam aushielt. – Übrigens verlange Bou-Denib Kartoffeln. Man solle dem Adjutanten vom ›Bureau arabe‹ Bescheid sagen, der werde dann im Ksar das Nötige veranlassen. Der Korporal könnte dann bei der Waage stehen und das Gewicht angeben. Aber auf deutsch. Die Araber brauchten nicht alles zu verstehen.
Der Leutnant schwenkte den Stock nach vorn, berührte kaum den Rand des Helms und ging.
Den ganzen Nachmittag schwitzte Lös über den Rechnungen. Er trank viel Kaffee mit Schnaps vermischt, um nicht einzuschlafen. Aber die Rechnung wollte nicht stimmen.
Denn die Buchhaltung einer Administration ist eine verwickelte Angelegenheit: sie besteht aus vielen Bogen, die, breiter als hoch, mit einem dünnen Liniennetz überzogen sind. Am äußersten Rande links werden die Kunden angeführt: Die Kompagnie, die Unteroffiziersmesse, die Offiziersmesse, der Adjutant des ›Bureau arabe‹, die Gums, die durchziehenden Truppen. In den nachfolgenden Kolonnen werden die Mengen der gelieferten Waren eingetragen: Wein, Mehl, Brot, Kaffee, Tee, Fleisch, Schnaps, Seife, Trockengemüse, Teigwaren, Reis, Gries: in Kilos, in Litern. Dann wird waagrecht addiert: Kilo zu Liter und die Stücke dazugerechnet. Das ergibt bestimmte Summen, die am Rande rechts zusammengezählt werden. Bei den einzelnen Kolonnen verfährt man gleich,
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